Verfahrensgang
AG Brandenburg (Entscheidung vom 13.08.2003; Aktenzeichen 28 OWi 4/03) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 13. August 2003 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen vorsätzlichen Nichtbefolgens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage bei schon länger als 1 Sekunde andauernder Rotphase zu einer Geldbuße von 125,00 EUR verurteilt und außerdem gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Allerdings ist die geltend gemachte Verfahrensbeanstandung einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) unzulässig. Sie genügt nicht den rechtlichen Vorgaben der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift ist eine Verfahrensrüge nur dann zulässigerweise erhoben, wenn sie mit hinreichender Bestimmtheit den Verfahrensverstoß und die den Mangel begründenden Tatsachen angibt. Dies hat so genau und vollständig zu geschehen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt (std. Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 27. September 2001 - 1 Ss (OWi) 84/01 - und vom 16. April 2002 - 1 Ss (OWi) 74 B/02 -). Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt deshalb voraus, dass ein bestimmtes Beweismittel und ein bestimmtes Beweisergebnis genannt werden (vgl. Senat a.a.O.).
Diesen Vorgaben wird die vom Betroffenen erhobene sogenannte Aufklärungsrüge nicht gerecht. Sie benennt zwar ein bestimmtes Beweismittel - Sachverständigenbeweis - und verhält sich zu den Umständen, auf Grund derer sich der Bußgeldrichter nach Auffassung des Rechtsmittelführers zur vermissten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Offen bleibt aber, welches sachlich-rechtliche Ergebnis die Erhebung des Sachverständigenbeweises aus Sicht des Betroffenen gehabt hätte.
2.
Demgegenüber greift die vom Betroffenen erhobene Sachrüge durch. Die instanzgerichtliche Entscheidung erweist sich als materiell-rechtlich rechtsfehlerhaft, denn sie genügt nicht den Mindestanforderungen, die an eine Verurteilung wegen eines sogenanntes Rotlichtverstoßes gemäß §§ 37 Abs. 2 Nr. 1, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO, 24 StVG und in diesem Zusammenhang insbesondere an die Darstellung der Beweiswürdigung zu stellen sind.
Eine Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes macht grundsätzlich Feststellungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und der vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie dazu erforderlich, wie weit dieser mit seinem Fahrzeug noch von der Ampel entfernt war, als sie von Gelb- auf Rotlicht umschaltete. Nur bei Kenntnis dieser Umstände lässt sich nämlich entscheiden, ob der Betroffene bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung in der Lage gewesen ist, dem von dem Gelblicht ausgehenden Haltegebot zu folgen, was unerlässliche Voraussetzung für den Vorwurf ist, das Rotlicht schuldhaft missachtet zu haben (vgl. OLG Köln VM 1984, 83 m.w.N.; std. Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 1 Ss (OWi) 213/02 -). Demgegenüber stellt das Amtsgericht lediglich fest, der Betroffene habe die Haltelinie vor einer Kreuzung... überquert, obwohl die dort befindliche Lichtzeichenanlage in seine Fahrtrichtung bereits länger als 1 Sekunde Rotlicht angezeigt habe. Der Senat kann den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils bei dieser Sachlage vor allem nicht entnehmen, in welcher Entfernung zur Lichtzeichenanlage sich der Betroffene im Zeitpunkt deren Umschaltens auf Rotlicht befunden hat und mit welcher Geschwindigkeit er gefahren ist.
Die vermissten Feststellungen waren auch nicht im Einzelfall entbehrlich. Von den grundsätzlichen Anforderungen an die Feststellungen bei Vorliegen eines sogenannten Rotlichtverstoßes kann zwar abgesehen werden, wenn der Rechtsverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften begangen worden ist. Denn im innerörtlichen Bereich kann grundsätzlich von einer gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und von einer Gelblichtphase von 3 Sekunden (VwV zu § 37 Abs. 2 StVO Abschn. IX) ausgegangen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2000 - 1 Ss (OWi) 78 B/00 -). Ähnliche Regularien und Erfahrungswerte gelten im außerörtlichen Bereich aber gerade nicht, obwohl dort die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Personenkraftwagen mangels abweichender Regelungen 100 km/h beträgt (§ 3 Abs. 3 Nr. 2c StVO); denn abgesehen davon, dass insbesondere in den sogenannten neuen Bundesländern die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen häufig in F...