Leitsatz (amtlich)
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß.
Verfahrensgang
AG Dortmund (Entscheidung vom 14.04.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen mit Urteil vom 14. April 2005 wegen fahrlässiger Nichtbeachtung "der" Lichtzeichenanlage (zur Tatzeit sind keine Feststellungen getroffen) zu einer Geldbuße von 125,00 EUR verurteilt und ihm für die Dauer eines Monats verboten, im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug zu führen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte sowie in zulässiger Weise eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat schon mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts Erfolg, so dass die Verfahrensrügen unerörtert bleiben können.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 12. September 2005 hierzu ausgeführt:
"Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils ergibt, dass die bisher getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO nicht tragen.
Der vom Amtsgericht den Feststellungen zugrunde gelegte Umstand, die Lichtzeichenanlage sei bereits auf Rotlicht umgesprungen, als der Betroffene in den Kreuzungsbereich einfuhr, lässt vorliegend die Schlussfolgerung auf eine Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde beim Überfahren einer möglicherweise vorhandenen Haltelinie oder beim Einfahren in den gesicherten Kreuzungsbereich nicht zu. Insoweit lässt sich den Urteilsgründen schon nicht entnehmen, ob sich vor der durch den Betroffenen zu beachtenden Lichtzeichenanlage eine Haltelinie befunden hat. Diesbezügliche Feststellungen sind jedoch erforderlich, da nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung für die Berechnung der Rotlichtzeit von mehr als einer Sekunde grundsätzlich der Zeitpunkt des Passierens der Haltelinie maßgebend ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31.07.2003 - 3 Ss OWi 136/03 -, Hentschel StVR, 38. Aufl., § 37 StVO, Rdz. 61, BGH NJW 1999, 2978).
Zwar sind auch Fälle denkbar, in denen keine Haltelinie angebracht ist. In diesen Fällen muss es einen Bezugspunkt für die Dauer des Rotlichtverstoßes geben, wobei entweder der Zeitpunkt des Vorbeifahrens an der Lichtzeichenanlage oder das Einfahren in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich in Betracht kommt (zu vergl. BGH NJW 1999, 2978 (2979)). Die Feststellungen des Amtsgerichts Dortmund sind aber auch unter diesem Gesichtspunkt unzureichend, da sich aus ihnen nicht nachvollziehbar ergibt, wie die Dauer des Rotlichtverstoßes festgestellt wurde.
Darüber hinaus enthält das Urteil auch keine näheren Feststellungen zu der im Kreuzungsbereich zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der Dauer der Gelblichtphase. Beim Durchfahren bei Rot sind Feststellungen nötig, wo sich der Betroffene bei dem Umspringen der Lichtzeichenanlage auf Rot befand und ob er unter Berücksichtigung der zulässigen Geschwindigkeit und der Dauer der Gelblichtphase noch gefahrlos hätte anhalten können (zu vergl. Hentschel, StVR, 38. Aufl., § 37 StVO, Rdz. 61). Zwar kann im Einzelfall bei Rotlichtverstößen innerhalb geschlossener Ortschaft auch ohne derartige Feststellung auf das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes geschlossen werden (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2000 - 4 Ss OWi 1100/00 -). Da aber die von dem Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit unklar ist und das Amtsgericht allein auf das Passieren der Signalanlage abgestellt hat, kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde zum maßgeblichen Zeitpunkt des Überfahrens einer möglichen Haltelinie noch nicht erreicht war (zu vgl. Hentschel, StVR, 38. Aufl., § 37 StVO, Rdz. 61)."
Dem tritt der Senat bei.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ebenso wie der Schuldspruch auch der Rechtsfolgenausspruch in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Zum einen hat das Amtsgericht entgegen § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen. Zum anderen hat der Tatrichter nicht zum Ausdruck gebracht, dass er sich der generellen Möglichkeit des § 2 Abs. 4 BKatV bewusst ist, in geeigneten Fällen von der Verhängung eines Fahrverbotes ausnahmsweise gegen Erhöhung der Geldbuße abzusehen. Schließlich ist keine Entscheidung über das Wirksamwerden des Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 2 a StVG getroffen worden.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.
Fundstellen