Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Besorgnis der Befangenheit allein durch Sorge vor Willkür
Leitsatz (amtlich)
1. Die Besorgnis der Befangenheit wird nicht durch die Sorge vor Willkür begründet. Das Ablehnungsgesuch ist ein spezifischer, auf einen bestimmten Zweck bezogener Rechtsbehelf. Einem Fehlverhalten des Richters, das sich nicht in pflichtwidriger Voreingenommenheit auswirkt, ist mit einem Ablehnungsgesuch nicht zu begegnen.
2. Fehlverhalten und andere Mißstände, die das gesamte Verfahren belasten und damit beiden Beteiligten in gleicher oder ähnlicher Weise unzumutbar erscheinen müssen, begründen nicht Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters.
Normenkette
FamFG §§ 6, 32 Abs. 1 S. 2; ZPO § 42 Abs. 2, § 227 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
AG Strausberg (Aktenzeichen 29 F 123/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 18. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin gegenüber dem Richter am Amtsgericht ... ist unbegründet. Die Besorgnis der Befangenheit (§§ 6 I 1 FamFG, 42 I, II ZPO) ist nicht gerechtfertigt.
Anordnungen zur Verfahrensleitung - wie hier die Ablehnung eines Terminverlegungsantrages (§§ 32 I 2 FamFG, 227 IV ZPO) - kommen als objektiver Grund in Betracht, der bei einem besonnen prüfenden Beteiligten, der seine Interessen auch in einer für ihn schwierigen verfahrensrechtlichen Lage zwar aufmerksam aber nicht überempfindlich wahrnimmt, die Befangenheitssorge begründen kann, wenn die Anordnung willkürlich erscheint. Ein Beteiligter, der den nachvollziehbaren Anschein gewinnen kann, der Richter übergehe sein Anliegen oder nehme es zwar zur Kenntnis, lehne es aber ohne nähere Prüfung oder ungeachtet der vorgetragenen Begründung jedenfalls ab, hat Grund zur Ablehnung des Richters, wenn die von ihm mitgeteilten Gründe ganz und gar unhaltbar sind oder wenn er nicht einmal Gründe nennt und daraus auf eine geradezu rechtsfeindliche oder wenigstens rechtsschutzfeindliche Gesinnung des Richters gegenüber einem Beteiligten geschlossen werden kann.
Die Besorgnis der Befangenheit wird allerdings nicht durch die Sorge vor Willkür begründet (zu weitgehend: BayObLGZ 1998, 37 OLG München, OLGR 1998, 331 OLG Dresden, BeckRS 2014, 11482), sondern allein durch das Mißtrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters (§ 42 II ZPO). Das Ablehnungsgesuch ist ein spezifischer, auf einen bestimmten Zweck bezogener Rechtsbehelf. Er dient dazu, dem objektiv begründeten Anschein abzuhelfen, ein Beteiligter - der ablehndende oder der andere (§ 42 III ZPO) - werde ohne sachlichen Grund besser oder schlechter behandelt als der andere. Einem Fehlverhalten des Richters, das sich nicht in pflichtwidriger Voreingenommenheit auswirkt, ist mit einem Ablehnungsgesuch nicht zu begegnen (vgl. BbgOLG, 2. FamS, OLG-NL 2000, 263; 1. ZS, BeckRS 2012, 14878; 4. FamS, MDR 2015, 914, 915).
Es ist deshalb einerseits nicht Voraussetzung einer Ablehnung, dass gegen das beanstandete Fehlverhalten des Richters kein anderer Rechtsbehelf gegeben wäre. Der Beteiligte, der befürchten muss, der Richter werde eine willkürliche Fehlentscheidung treffen, um einen der Beteiligten zu bevorzugen oder zu benachteiligen, muss diese Fehlentscheidung nicht abwarten, um sie mit dem vorgesehenen Rechtsmittel anzufechten. Die Ablehnung dient in dieser Konstellation dem rechtzeitigen Ausschließen des parteilich erscheinenden Richters vom weiteren Verfahren.
Andererseits führt es aber nicht zur Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs, dass ein anderer Rechtsbehelf nicht vorgesehen ist. Fehlverhalten und andere Mißstände, die das gesamte Verfahren belasten und damit beiden Beteiligten in gleicher oder ähnlicher Weise unzumutbar erscheinen müssen, begründen nicht Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters (§ 42 II ZPO), sondern gegen seine generelle Eignung, das Verfahren in angemessener Zeit mit einem materiellrechtlich zutreffenden Ergebnis abzuschließen (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 1998, 10239).
Daß den von solchen Unzuträglichkeiten betroffenen Beteiligten ein Rechtsbehelf nicht zusteht (hier: §§ 32 I 2 FamFG, 227 IV 3 ZPO), führt nicht zu einer besonderen Auslegung oder Anwendung des Ablehnungsgrundes der Befangenheit. Die Ablehnung eines Richters erfüllt nicht die Funktion eines Auffangrechtsbehelfs für alle Fallkonstellationen willkürlicher Fehler oder grob rechtswidrigen Fehlverhaltens des Richters, für die die Verfahrensordnungen ein Rechtsmittel nicht vorsehen (vgl. OLG Dresden, OLG-NL 2001, 45). Ob es für diese Fälle von Verfassungs wegen eines Rechtsmittels bedarf - etwa einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit -, könnte erörtert werden, wenn ein solches Rechtsmittel eingelegt ist, nicht aber im Verfahren über ein Befangenheitsgesuch.
Es bleibt schon zweifelhalft, ob die Antragsgegnerin ausreichend dargelegt hat, der abgelehnte Richter habe willkürli...