Leitsatz (amtlich)
Einem Fehlverhalten des Richters, das sich nicht in pflichtwidriger Voreingenommenheit auswirkt, ist mit einem Ablehnungsgesuch nicht zu begegnen.
Fehlverhalten und andere Missstände, die das gesamte Verfahren belasten und damit beiden Parteien in gleicher oder ähnlicher Weise unzumutbar erscheinen müssen, begründen nicht Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Perleberg (Beschluss vom 05.02.2015; Aktenzeichen 19 F 68/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des AG Perleberg vom 5.2.2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegenüber dem Richter am AG ... ist unbegründet. Die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 I, II ZPO) ist nicht gerechtfertigt.
Die schlichte Rechtsschutzverweigerung kommt als objektiver Grund in Betracht, der bei einem besonnen prüfenden Beteiligten, der seine Interessen auch in einer für ihn schwierigen verfahrensrechtlichen Lage zwar aufmerksam aber nicht überempfindlich wahrnimmt, die Befangenheitssorge begründen kann, wenn die Verweigerung willkürlich erscheint. Eine Partei, die den nachvollziehbaren Anschein gewinnen kann, der Richter nehme ihr Anliegen zwar zur Kenntnis, veranlasse aber nichts, hat Grund zur Ablehnung des Richters, wenn die von ihm mitgeteilten Gründe für die vollkommene Untätigkeit ganz und gar unhaltbar sind oder wenn er nicht einmal Gründe nennt und daraus auf eine geradezu rechtsfeindliche oder wenigstens rechtsschutzfeindliche Gesinnung des Richters gegenüber einer Partei geschlossen werden kann.
Im lebhaft ausgetragenen Streit um die Frage, ob bloße Untätigkeit eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann (vgl. Musielak/Voit-Heinrich, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 42 Rz. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 42 Rz. 24, BeckOK-ZPO-Vossler, Stand: Jan. 2015, § 42 Rz. 21, jeweils m. zahlr. Nachw.), ist durch einen genauen Blick auf den legaldefinierten Begriff der Befangenheit eine Entscheidung zu finden: Die Besorgnis der Befangenheit wird nicht durch die Sorge vor Willkür begründet (zu weitgehend: BayObLGZ 1998, 37; OLG München OLGReport München 1998, 331; OLG Dresden, BeckRS 2014, 11482), sondern allein durch das Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters (§ 42 II ZPO). Das Ablehnungsgesuch ist ein spezifischer, auf einen bestimmten Zweck bezogener Rechtsbehelf. Er dient dazu, dem objektiv begründeten Anschein abzuhelfen, eine Partei - die ablehnende oder die andere (§ 42 III ZPO) - werde ohne sachlichen Grund besser oder schlechter behandelt als die andere. Einem Fehlverhalten des Richters, das sich nicht in pflichtwidriger Voreingenommenheit auswirkt, ist mit einem Ablehnungsgesuch nicht zu begegnen (vgl. BbgOLG, 2. FamS, OLG-NL 2000, 263; 1. ZS, BeckRS 2012, 14878).
Es ist deshalb einerseits nicht Voraussetzung einer Ablehnung, dass gegen das beanstandete Fehlverhalten des Richters kein anderer Rechtsbehelf gegeben wäre. Die Partei, die befürchten muss, der Richter werde eine willkürliche Fehlentscheidung treffen, um eine der Parteien zu bevorzugen oder zu benachteiligen, muss diese Fehlentscheidung nicht abwarten, um sie mit dem vorgesehenen Rechtsmittel anzufechten. Die Ablehnung dient in dieser Konstellation dem rechtzeitigen Ausschließen des parteilich erscheinenden Richters vom weiteren Verfahren.
Andererseits führt es aber nicht zur Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs, dass ein anderer Rechtsbehelf nicht vorgesehen ist. Fehlverhalten und andere Missstände, die das gesamte Verfahren belasten und damit beiden Parteien in gleicher oder ähnlicher Weise unzumutbar erscheinen müssen, begründen nicht Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters (§ 42 II ZPO), sondern gegen seine generelle Eignung, das Verfahren in angemessener Zeit mit einem materiell-rechtlich zutreffenden Ergebnis abzuschließen (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 1998, 10239). Es berührt nicht die Gewährleistung der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit, wenn ein fachlich ungeeigneter Richter willkürlich falsch entscheidet, wenn ein pflichtvergessen fauler Richter das Verfahren verschleppt oder unbearbeitet lässt oder wenn ein auf Grund von Fehlentscheidungen des Präsidiums hoffnungslos überlasteter Richter nicht in der Lage ist, jedem einzelnen Verfahren die erforderliche Aufmerksamkeit zu widmen. In diesen Fällen ist die Funktion der Rechtspflege allgemein betroffen, zum gemeinsamen Nachteil beider Parteien.
Dass den von solchen Unzuträglichkeiten betroffenen Parteien keine oder nur untaugliche (§ 198 III GVG), nämlich nur zur Entschädigung, nicht aber zur Abhilfe verhelfende Rechtsbehelfe zustehen, führt nicht zu einer besonderen Auslegung oder Anwendung des Ablehnungsgrundes der Befangenheit. Die Ablehnung eines Richters erfüllt nicht die Funktion eines Auffangrechtsbehelfs für alle Fallkonstellationen willkürlicher Fehler oder grob rechtswidrigen Fehlverha...