Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verstoß gegen die Protokollierungsvorschriften der ZPO hat nicht die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts zur Folge, vielmehr fehlt dem Protokoll dann die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde.

2. Für die Auslegung einer Erklärung als Rechtsmittelverzicht ist Zurückhaltung geboten.

3. Zur Auslegung eines im Anschluss an eine Rechtsmittelbelehrung erklärten Rechtsmittelverzichts.

4. Ist in einem Verfahren die Vaterschaft hinsichtlich mehrerer Kinder betroffen, bemisst sich der Gegenstandswert nach § 12 Abs. 2 S. 3 GKG grundsätzlich durch Addition der einzelnen Ausgangswerte.

 

Verfahrensgang

AG Senftenberg (Beschluss vom 13.11.2003; Aktenzeichen 31 F 134/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss teilweise dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert auf 4.000 Euro festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Mit seiner gegen die beiden minderjährigen, am 26.9.1997 bzw. am 12.1.2001 geborenen Beklagten gerichteten Klage hat der Kläger die Feststellung seiner Nichtvaterschaft begehrt. Mit am 15.9.2003 verkündetem Urteil hat das AG antragsgemäß diese Feststellung getroffen und neben der Aufhebung der Kosten gegeneinander zugleich den Streitwert auf 2.000 Euro festgesetzt. Im Anschluss hieran heißt es im Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 27 d.A.) wie folgt:

Es erfolgt die Rechtsmittelbelehrung. Die Beteiligten erklären Rechtsmittelverzicht.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung des Streitwertes auf einen Streitwert von 2.000 Euro je Kind, insgesamt daher 4.000 Euro. Mit Beschluss vom 13.11.2003 hat das AG unter Hinweis auf den erklärten Rechtsmittelverzicht der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit weiterem Schriftsatz vom 9.12.2003 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dazu erklärt, die Erklärung des Rechtsmittelverzichts habe sich unter Berücksichtigung dessen, dass die erfolgte Rechtsmittelbelehrung sich lediglich auf das erlassene Urteil bezogen habe, allein auf das Urteil, nicht aber auf den Streitwert bezogen.

II. 1. Die gem. § 25 Abs. 3 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht der in der mündlichen Verhandlung vom 15.9.2003 erklärte Rechtsmittelverzicht nicht entgegen.

a) Zwar bestehen keine Bedenken an der (formellen) Wirksamkeit eines Verzichts auf die Einlegung einer Streitwertbeschwerde.

So ist der in mündlicher Verhandlung erklärte Verzicht auf Rechtsmittel gem. § 160 Abs. 1 Nr. 9 ZPO in das Protokoll aufzunehmen, sodann den Beteiligten bei vorläufiger Aufzeichnung auf ein Tonband gem. § 162 Abs. 1 ZPO vorzuspielen und die Erklärung von dem Verzichtenden genehmigen zu lassen, was ebenfalls im Protokoll zu vermerken ist, § 162 Abs. 1 S. 2 und S. 3 ZPO. Feststellungen zu einem Vorspielen und einer Genehmigung des erklärten Rechtsmittelverzichts enthält das Protokoll aber nicht.

Ob diese die Rechtsbehelfe (Berufung, Revision, Einspruch) der ZPO betreffenden Vorschriften auf die einfache Beschwerde gem. § 25 Abs. 3 GKG überhaupt Anwendung finden, kann hier aber dahinstehen, da ein eventueller Verstoß für die formelle Wirksamkeit des Verzichts folgenlos bliebe. Ein Verstoß gegen die vorgenannten Formvorschriften der ZPO hat nicht die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts zur Folge, vielmehr fehlt dem Protokoll dann die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (BGH v. 18.1.1984 – IVb ZB 53/83, MDR 1984, 655 = NJW 1984, 1465; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 162, Rz. 6), was möglicherweise zu Problemen bei der Feststellung der Abgabe einer (bestrittenen) Verzichtserklärung führen kann. Dass hier die Beteiligten und damit auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers einen Rechtsmittelverzicht erklärt haben, ist unstr.

b) Die Frage formeller Wirksamkeit kann aber i.E. dahinstehen, da jedenfalls mit dem erklärten Rechtsmittelverzicht kein Verzicht hinsichtlich der Möglichkeit der Einlegung einer Streitwertbeschwerde erklärt worden ist.

Als prozessuale Erklärung ist die Verzichtserklärung möglichst eindeutig zu fassen. Bei einem Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist daher zu erkennen zu geben, auf welches konkrete Rechtsmittel verzichtet wird. Ist die abgegebene Erklärung insoweit nicht eindeutig, ist durch Auslegung der objektive Sinn der abgegebenen Erklärung zu ermitteln, um feststellen zu können, auf welches Rechtsmittel verzichtet werden soll. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Verzicht zwar nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden, er aber in der Erklärung, aus der er hergeleitet werden soll, eindeutig zum Ausdruck kommen muss (BGH v. 20.7.1999 – X ZR 175/98, MDR 2000, 349 = NJW 1999, 3564 [3565]). Mit Blick auf die Unwiderruflichkeit und Unanfechtbarkeit der prozessualen Gestaltungserklärungen ist zudem für die Auslegung einer Erklärung als Rechtsmittelverzicht Zurückhaltung geboten (BGH v. 12.3.2002 – VI ZR 379/01, BGHReport 2002, 705 = MDR 2002, 900 = NJW 2002, 2108 [2109]).

Für die Ermittlung des objektiven Sinnes ergibt sich aus dem Proto...

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