Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Annahmeberufung nach § 313 StPO bei Antrag auf Freispruch durch den Staatsanwalt in erster Instanz
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft auf Freispruch ist kein Minus im Vergleich zu dem in der gesetzlichen Vorschrift genannten Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe von höchstens 30 Tagessätzen, sondern ein Aliud. § 322a Satz 2 StPO ist nicht anwendbar, wenn das Landgericht irrig davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um eine Annahmeberufung gem. § 313 Abs. 1 StPO handelt.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ... wird der Beschluss der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts ... vom 28. Januar 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft an das Landgericht ... zurückverwiesen.
Gründe
1. Das Amtsgericht ... hat mit Urteil vom 11. Juni 2012 den Angeklagten von dem mit Anklage vom 16. März 2012 durch die Staatsanwaltschaft ... erhobenen Vorwurf des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation im Inland (§§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 StGB) freigesprochen, nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft im Hauptverhandlungstermin ebenfalls einen Freispruch beantragt hatte. Gegen das Urteil des Amtsgerichts ... hat die Staatsanwaltschaft ... mit dem bei Gericht am 15. Juni 2012 angebrachten Schreiben Berufung eingelegt und diese mit weiterer Verfügung vom 27. Juli 2012 begründet.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2013 hat die 6. kleine Strafkammer die Berufung der Staatsanwaltschaft ... gem. § 313 Abs. 1 StPO nicht angenommen und zugleich als unzulässig verworfen.
Die Staatsanwaltschaft ... hat gegen den ihr am 8. Februar 2013 zugestellten Beschluss mit der bei Gericht am 14. Februar 2013 angebrachten Verfügung sofortige Beschwerde erhoben, der die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg mit Stellungnahme vom 19. März 2013 beigetreten ist.
2. a) Das Rechtsmittel ist zulässig. Zwar sind Entscheidungen des Berufungsgerichts über die Annahme einer Berufung gemäß § 322a Satz 2 StPO grundsätzlich nicht anfechtbar. Hiervon wird jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn - wie hier - in Rede steht, dass das Landgericht irrig davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um eine Annahmeberufung gem. § 313 Abs. 1 StPO handelt (vgl. OLG Hamburg JR 1999, 479; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 322a Rdnr. 8).
b) Das Rechtsmittel ist begründet. Bei der Berufung der Staatsanwaltschaft handelt es sich - wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 19. März 2013 zutreffend ausführt - nicht um eine sogenannte Annahmeberufung nach § 313 Abs. 1 Satz 2 StPO. Zwar wurde der Angeklagte in erster Instanz freigesprochen, jedoch hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht auf eine Verurteilung zu einer "Geldstrafe von nicht mehr als 30 Tagessätzen" angetragen, sondern ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls (Hauptverhandlungsprotokoll S. 4) einen Freispruch beantragt. Auf diese Verfahrensgestaltung ist die Vorschrift des § 313 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht, auch nicht analog anwendbar. Dabei kann im Übrigen nicht entscheidend sein, ob der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft für den Fall, dass die Tat aus seiner Sicht nachzuweisen gewesen wäre, eine höhere bzw. schwerere Strafe als Geldstrafe von 30 Tagessätzen beantragt hätte und darauf das Ziel der Berufung der Staatsanwaltschaft gerichtet ist. Es soll die Beschränkungsmöglichkeit der Berufungseinlegung in § 313 StPO nur Fälle der Bagatellkriminalität erfassen, wenn - im Falle eines Freispruchs - aus der Sicht der Staatsanwaltschaft eine Straftat erwiesen ist, diese der Bagatellkriminalität zuzurechnen ist und die Staatsanwaltschaft deshalb eine Geldstrafe von nicht mehr als 30 Tagessätzen beantragt hatte. Kommt hingegen die Staatsanwaltschaft wie im vorliegenden Fall nach durchgeführter Beweisaufnahme zum Ergebnis, ein strafrechtlicher Schuldbeweis könne nicht geführt werden, kann aus ihrem Antrag auf Freispruch nicht auf das Vorliegen eines Bagatelldeliktes geschlossen werden. Der Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft belegt vielmehr, dass dieser davon ausgegangen ist, dass sich überhaupt keine Straftat ereignet habe bzw. dem Angeklagten ein strafbares Verhalten nicht nachgewiesen werden könne (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 - 1 Ws 103/12; Senatsbeschluss vom 27. September 2004 - 1 Ws 142/04).
Es besteht auch kein Anlass, § 313 Abs. 1 Satz 2 StPO entsprechend oder sinngemäß auf die vorliegende Fallkonstellation anzuwenden. Der Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft auf Freispruch ist kein Minus im Vergleich zu dem in der gesetzlichen Vorschrift genannten Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe von höchstens 30 Tagessätzen, sondern ein Aliud (Senat aaO.).
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Kosten des Verfahrens.
Fundstellen