Leitsatz (amtlich)
Die für die Entstehung einer Eltern-Kind-Beziehung sprechenden Umstände müssen die dagegen sprechenden deutlich überwiegen. Begründete Zweifel, die sich z.B. aus einer relativ kurzen Dauer der Beziehung oder aus dem Alter oder Gesundheitszustand des Annehmenden ergeben können, gehen zu Lasten der Betroffenen und führen zur Abweisung des Adoptionsantrags.
Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Aktenzeichen 5 F 571/17) |
Tenor
1. Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 24. Januar 2019 (Az. 5 F 571/17) gerichteten Beschwerden der Annehmenden vom 13. Februar 2019 werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Annehmenden.
3. Der Beschwerdewert beträgt 5.000 EUR.
Gründe
I. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaften und in zulässiger Weise eingelegten Beschwerden der Annehmenden bleiben ohne Erfolg, sie sind unbegründet.
Das Amtsgericht hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Volljährigenadoption verneint.
1. Gemäß § 1767 Abs. 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.
a. Ein Eltern-Kind-Verhältnis ist entstanden, wenn zwischen Annehmendem und Anzunehmendem eine dauerhafte seelisch-geistige Bindung im Sinne einer natürlichen Eltern-Kind-Beziehung besteht. Von einem Eltern-Kind-Verhältnis kann ausgegangen werden, wenn die zwischen den Beteiligten entstandene Beziehung dem Verhältnis zwischen volljährigen Kindern und ihren leiblichen Eltern entspricht. Dieses Verhältnis ist naturgemäß anders geartet als bei minderjährigen Kindern, deren Beziehung zu ihren Eltern vorwiegend durch Betreuung, Schutz und Erziehung des Kindes geprägt ist.
Für die Annahme einer Eltern-Kind-Beziehung sind Gemeinsamkeiten, familiäre Bindungen und innere Zuwendung erforderlich, wie sie zwischen Eltern und erwachsenen Kindern typischerweise vorliegen, insbesondere ein enger persönlicher Kontakt und die Bereitschaft zu dauerhaftem gegenseitigem Beistand, ggfs. in Verbindung mit wirtschaftlicher Hilfe. Es muss sich um ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten handeln, dass sich die Beziehung klar von einer guten Bekanntschaft oder engen Freundschaft abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen einem Elternteil und dessen erwachsenem Kind rückt. Anhaltspunkte sind insoweit auch eine Integration in das familiäre Beziehungsgeflecht, ein gewachsenes, gegenseitiges Grundvertrauen, in dem sich die Beteiligten wechselseitig aussprechen oder in die Entscheidungsfindung in wichtigen Angelegenheiten in angemessener Weise einbeziehen (OLG Braunschweig, FamRZ 2017, 1240; KG FamRZ 2014, 225; MüKoBGB/Maurer, 7. Aufl. 2017, BGB § 1767 Rn. 19). Bloße freundschaftliche Beziehungen, die bisher ihren Ausdruck z.B. in vereinzelter Unterstützung während einer problematischen Lebensphase gefunden haben, rechtfertigen eine Adoption dagegen nicht (BayObLG FamRZ 1998, 504).
Ein bestehendes oder zukünftig zu erwartendes Eltern-Kind-Verhältnis wird regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn
- zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden seit langem, insbesondere seit der Kindheit des Anzunehmenden ein enges Verhältnis besteht (vgl. OLG Stuttgart NZFam 2019, 188; OLG Hamm FamRZ 2013, 557),
- der Annehmende den Anzunehmenden bei seinem schulischen oder beruflichen Fortkommen intensiv unterstützt und in diesem Bereich Aufgaben übernommen hat, die typischerweise in einem Eltern-Kind-Verhältnis anfallen (vgl. (vgl. OLG Stuttgart NZFam 2019, 188; OLG Hamm FamRZ 2013, 557),
- der Annehmende den Anzunehmenden (oder umgekehrt) in mehreren schweren persönlichen Situationen intensiv Beistand in einer Form geleistet hat, die üblicherweise durch Eltern an ihre Kinder (oder umgekehrt) geleistet werden (vgl. OLG Stuttgart NZFam 2019, 188; OLG Hamm FamRZ 2013, 557).
Eine häusliche Gemeinschaft ist zwar nicht zwingend erforderlich, da eine solche auch bei natürlichen Eltern-Kind-Verhältnissen nach Erreichen der Volljährigkeit mit zunehmendem Alter der Kinder in der Regel nicht mehr vorliegt (OLG Hamm FamRZ 2013, 557). Jedoch spricht das länger andauernde Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft für eine innere Verbundenheit i.S.e. Eltern-Kind-Verhältnisses, wohingegen ihr vollständiges Fehlen grds. eher dagegen spricht (vgl. Saar in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1767 BGB Rn. 4; vgl. auch BayObLG FamRZ 2007, 639; Celle FamRZ 1995, 830). Ebenso spricht eine erhebliche räumliche Entfernung gegen das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses (BayObLG NJWE-FER 1998, 30; Schleswig FGPrax 2009, 269).
Alle für und gegen die Annahme einer Eltern-Kind-Beziehung sprechenden Umstände sind in eine Einzelfallbetrachtung einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Die für die Entstehung einer Eltern-Kind-Beziehung sprechenden Umstände müssen die dagegen sprechenden deutlich überwiegen. Begründete Zweifel, die si...