Entscheidungsstichwort (Thema)

Possessorischer Besitzschutz bei einer GbR/oHG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine GbR ist nach Geschäftsaufnahme als oHG kraft Geschäftsbeginns einzustufen, § 123 Abs. 2 HGB.

2. Eine oHG übt Besitz durch ihre Organe aus.

3. Übt eine oHG nur mittelbaren Besitz aus, kann sie bei verbotener Eigenmacht grundsätzlich nur Wiedereinräumung des Besitzes an den Besitzmittler beanspruchen, § 869 S. 2 Halbs. 1 BGB.

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Beschluss vom 28.02.2006; Aktenzeichen 3 O 437/05)

 

Tenor

Auf die Anschlussbeschwerde der Verfügungsbeklagten und unter Zurückweisung der Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Beschluss des LG Cottbus vom 28.2.2006 - 3 O 437/05 - aufgehoben.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht den Verfahrenskosten erster Instanz.

 

Tatbestand

Ein polizeilich gesuchter Zeuge D. unterzeichnete als Geschäftsführer einer Ltd. auf Mieterseite einen Mietvertrag über Gewerbeflächen zum Betrieb einer Diskothek. Nachdem Mietzahlungen ausblieben, ließ die Vermieterin die Schlösser austauschen. Daraufhin verlangt einer GbR im einstweiligen Verfügungsverfahren Wiedereinräumung des Besitzes an sich, da die Ltd. nicht existiere und der Zeuge ihr den Besitz vermittelt habe. Nach Weitervermietung an einen nicht herausgabebereiten Dritten durch die Vermieterin haben die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Das LG hat die Kosten gegeneinander aufgehoben (§ 91a ZPO), da die Mieterstellung der Verfügungsklägerin ungewiss sei. Die unselbständige Anschlussbeschwerde der Verfügungsbeklagten war erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Verfügungsklägerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde, die Verfügungsbeklagte mit der Anschlussbeschwerde gegen eine Kostenentscheidung des LG gem. § 91a ZPO nach Erledigung eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Der polizeilich gesuchte Zeuge D. unterzeichnete am 30.8.2005 als Geschäftsführer einer M.D. Ltd. auf Mieterseite einen Mietvertrag über Gewerbeflächen zum Betrieb einer Diskothek. In dieser Eigenschaft hat ihm die vermietende Verfügungsbeklagte die Räume gem. Übergabeprotokoll vom 15.10.2005 übergeben. Nachdem Lieferantenrechnungen an die Verfügungsklägerin - eine GbR - unbeglichen blieben und an diese verkaufte indessen noch unbezahlte Waren aus den Mieträumen entwendet wurden, wandte sich ein vom Zeugen D. angestellter Mitarbeiter der Verfügungsklägerin, den der Zeuge D. zuvor vergebens gebeten hatte, die Gaststättenkonzession auf seinen - des Angestellten - Namen zu beantragen und der bislang gleichfalls noch keine Vergütung erhalten hatte, Anfang Dezember 2005 an die Verfügungsbeklagte und übergab ihr einen Schlüssel für das Mietobjekt. An diesem ließ die Verfügungsbeklagte sodann die Schlösser austauschen unter gleichzeitiger fristloser Kündigung des Mietverhältnisses ggü. der M.D. Ltd. Unter Vorlage der Ablichtung eines Vertragsexemplars, auf dem der Zeuge D. unter den Vertragseingang einen Rundstempel der Verfügungsklägerin eingefügt hatte, beantragte diese Wiedereinräumung des Besitzes an sich, u.a. mit der Begründung, sie habe den Zeugen D. mit ihren Geschäftsführungsaufgaben betraut und die Verfügungsbeklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie die Mietereigenschaft der Verfügungsklägerin trotz dieses Stempels im Hinblick auf die im Vertragseingang genannte Gesellschaftsform verneine.

Nachdem das LG eine einstweilige Verfügung zur Herausgabe des Mietobjekts an die Verfügungsklägerin erlassen hatte, hat die Verfügungsbeklagte dieses an einen nicht herausgabebereiten Dritten vermietet, woraufhin die Parteien im Verfahren nach Widerspruch den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das LG hat die Kosten in einer Entscheidung nach § 91a ZPO gegeneinander aufgehoben mit der Begründung, die Erfolgsaussichten der Verfügungsklägerin seien von der Feststellung ihrer Mieterstellung abhängig und diese bei Fortgang des Verfahrens offen gewesen.

Hiergegen wendet sich die Verfügungsklägerin mit der Beschwerde, die Verfügungsbeklagte mit der Anschlussbeschwerde.

II. Von den nach den §§ 91a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden hat diejenige der Verfügungsbeklagten Erfolg.

Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes hatte der Antrag der Verfügungsklägerin keine Erfolgsaussichten. Der Verfügungsklägerin stand schon der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht zu.

Die Voraussetzungen eines Wiedereinräumungsanspruches nach § 861 Abs. 1 BGB lagen ihr ggü. nicht vor. Diese Bestimmung schützt nur den unmittelbaren Besitzer. Die Verfügungsklägerin war nicht unmittelbarer Besitzer der Mieträume. Sie ist nach Geschäftsaufnahme als oHG kraft Geschäftsbeginns einzustufen (§ 123 Abs. 2 HGB). Die oHG übt Besitz durch ihre Organe aus (Joost in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 854 Rz. 23, m.w.N.). Die Organe der Verfügungsklägerin hatten keinen un...

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