Leitsatz (amtlich)
Für den Rechtsanwalt des Gläubigers beginnt das dem Unterabschnitt 3. Vollstreckung und Vollziehung unterfallende Vollstreckungsverfahren mit einer Zahlungsaufforderung unter gleichzeitiger Androhung der Zwangsvollstreckung. Rein vorbereitende Maßnahmen wie ein anwaltliches Mahnschreiben, die erste Nachricht an den Rechtsanwalt des Schuldners oder die bloße Aufforderung des Schuldners zur Leistungserbringung ohne Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen können die Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nicht auslösen.
Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Aktenzeichen 11 F 124/15) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 25. August 2020 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 06. August 2020 aufgehoben.
Der Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 25. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.200 EUR.
Gründe
Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO (§ 113 Abs. 1 FamFG) statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg, sie ist begründet. Mit dem vorgenannten Kostenfestsetzungsantrag hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu Unrecht eine Verfahrensgebühr gemäß Ziffer 3309 VV RVG nebst zugehörigen Aufwendungen sowie Mehrwertsteuer abgerechnet.
1. Bedenken an der angefochtenen Entscheidung bestehen zwar nicht mit Blick auf eine vermeintliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Königs Wusterhausen als Verfahrensgericht.
Für die Festsetzung von Kosten, die infolge der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung entstanden sind, wenn es letztlich nicht zur Zwangsvollstreckung kommt (sog. Vorbereitungskosten), etwa weil der Schuldner die titulierte Forderung zuvor bezahlt, ist das Prozessgericht und nicht das Vollstreckungsgericht zuständig (KG Berlin JurBüro 2018, 652 m.N. zum Streitstand). Dies entspricht offenbar auch der Ansicht des BGHs (BGH MDR 2008, 286), soweit dieser ausführt, dass schon nach dem Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO das Vollstreckungsgericht die nach § 802 ZPO ausschließliche Zuständigkeit für die Festsetzung der Zwangsvollstreckung nur dann habe, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung wenigstens eine Vollstreckungshandlung anhängig sei und dass deshalb eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts von vornherein ausscheide, wenn wegen Bezahlung der titulierten Schuld keine Vollstreckungshandlung mehr anhängig gemacht werde. Genau dies entspricht der Sachlage des vorliegenden Falls, in dem der Antragsgegner insbesondere die titulierte Forderung vollständig erfüllt hat. Diesen überzeugenden Ausführungen des KG Berlin (bzw. des BGHs) schließt sich der Senat an.
2. Jedoch sind die konkreten Voraussetzungen eines Ersatzes von Vollstreckungskosten nach Ziff. 3309 VV RVG nicht erfüllt.
Der Unterabschnitt 3. Vollstreckung und Vollziehung gilt gem. Vorbemerkung 3.3.3 insbesondere für die Zwangsvollstreckung bzw. die sonstige die Vollstreckung. Die Verfahrensgebühr i.H.v. 0,3 entsteht für den Rechtsanwalt mit der ersten Tätigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach Erteilung des Auftrags zur Zwangsvollstreckung (Schmidt/Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Zwangsvollstreckung Rn. 2607). Ob eine nach dem Erkenntnisverfahren durchgeführte Tätigkeit dem Zwangsvollstreckungsverfahren zuzuordnen ist, ist von der Frage zu unterscheiden, ob diese Tätigkeit auch gebührenrechtlich von den Ziffern 3309 VV und 3310 VV erfasst wird. Dabei können zwar auch vorbereitende Vollstreckungshandlungen gebührenrechtlich relevant sein und somit grundsätzlich auch reine Vorbereitungshandlungen für die Zwangsvollstreckung von den Nr. 3309 VV und 3310 VV erfasst werden (Gierl in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, RVG Nr. 3309 VV Rn. 6 m.w.N.). Das bedeutet aber nicht, dass jede Tätigkeit im Vorfeld einer Vollstreckung zu einer Vollstreckungsgebühr gem. VV 3309 RVG führt. Vielmehr muss sich die Tätigkeit konkret auf vollstreckungsverfahrenstechnische Fragen beziehen (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, 3309 VV RVG Rn. 13; vgl. auch BGH NJW 2011, 1603).
Für den Rechtsanwalt des Gläubigers beginnt das Verfahren dem entsprechend mit einer Zahlungsaufforderung und gleichzeitiger Androhung der Zwangsvollstreckung (ausdr. Baronin von König in: Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 1. Aufl. 2013, D. Rechtsanwaltskosten Rn. 322; i.E. auch BGH FamRZ 2003, 1742). Rein vorbereitende Maßnahmen wie ein anwaltliches Mahnschreiben, um welches es sich im vorliegenden Fall handelt, können daher die Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nicht auslösen. Insbesondere genügt dem nicht die erste Nachricht an den Rechtsanwalt des Schuldners (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 788 ZPO Rn. 6), ebenso wenig wie die bloße Aufforderung des Schuldners zur Leistungserbringung ohne Androhung von Vollstreckungsmaß...