Verfahrensgang
AG Oranienburg (Entscheidung vom 09.07.2020; Aktenzeichen 13 f OWi 250/20) |
Tenor
Der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 9. Juli 2020 wird als unbegründet verworfen.
Die Betroffene trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Oranienburg hat gegen die Betroffene auf die Hauptverhandlung vom 9. Juli 2020, die in deren Abwesenheit, jedoch in Anwesenheit ihres Verteidigers stattgefunden hatte, durch Urteil vom selben Tag wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr gemäß §§ 41 Abs. 1 iVm. Anlage 2, 49 StVO, 24 StVG auf eine Geldbuße von 85,00 € erkannt. Der Verurteilung lag der Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg vom 25. Oktober 2019 zugrunde, in dem der Betroffenen zur Last gelegt wird, am ... August 2019 gegen 14:00 Uhr auf der Bundesautobahn ..., bei Kilometer 165,1, Fahrtrichtung Autobahndreieck ... die dort bestehende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 24 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten zu haben, wobei die Geschwindigkeitsmessung mittels des Messverfahrens PoliScan Speed erfolgt war. Der Bußgeldbescheid lautete ebenfalls auf eine Geldbuße in Höhe von 85,00 €. Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ist ersichtlich, dass der Auszug aus dem Fahreignungsregister verlesen worden war, der eine Eintragung enthält.
Noch am 9. Juli 2020 hat der Bußgeldrichter die förmliche Zustellung der Akte und des in dem Hauptverhandlungsprotokolls enthaltenen Urteils lediglich mit Rubrum und Tenor, mithin ohne Gründe, gemäß § 41 StPO iVm. § 46 OWiG an die Staatsanwaltschaft Neuruppin verfügt.
Mit dem bei Gericht am 16. Juli 2020 angebrachten Anwaltsschriftsatz vom selben Tag hat die Betroffene gegen die Entscheidung vom 9. Juli 2020 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und zugleich die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Unter dem Datum des 28. Juli 2020 vermerkt der Bußgeldrichter, dass "eine nachträgliche schriftliche Begründung des Urteils" unzulässig sei, da bereits eine förmliche Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft Neuruppin erfolgt war.
Am 2. September 2020 erfolgte die förmliche Zustellung des Urteils ohne Gründe an die Betroffene; eine schriftliche Vollmachtsurkunde des Verteidigers der Betroffenen befindet sich nicht bei den Akten. Zuvor, mit Anwaltsschriftsatz vom 29. August 2020, hat die Betroffene ihr Rechtsmittel begründet. Darin beanstandet die Betroffene insbesondere, dass das Urteil keine Gründe enthält, sie ist überdies der Auffassung, dass im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (LV 7/17) das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 8. Oktober 2020 beantragt, den Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Dem ist die Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 29. August 2020 (offenbar fehlerhafte Datierung), eingegangen bei Gericht am 6. November 2020, entgegengetreten.
II.
1. Der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 80 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; es liegen keine Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor.
a) Die Fertigung eines Urteils ohne Gründe stellt zwar einen nicht unerheblichen Rechtsfehler dar, da kein Fall des § 77b OWiG gegeben ist. Jedoch führt allein die Tatsache, dass das Amtsgericht von einer Begründung des Urteils - versehentlich - abgesehen hat, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG nicht vorliegen, noch nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde; erforderlich ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 OWiG (grundlegend: BGHSt 42, 187, 189 ff. = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; ebenso OLG Celle NdsRpfl. 1997, 52; OLG Köln NZV 1997, 371; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 77b Rdnr. 8, § 80 Rdnr. 12, 13; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2019, (1 Z) 53 Ss-OWi 721/19 (416/19); Senatsbeschluss vom 9. November 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 653/17 (308/17); Senatsbeschluss vom 16. Mai 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 191/17 (100/17); Senatsbeschluss vom 21. November 2011, 1 Z - 53 Ss-OWi 450/11 - 246/11; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2012, 1 Z - 53 SS-Owi 256/12 - 136/12; Senatsbeschluss in: VRS 116, 279 m.w.N.).
Das Fehlen der Urteilsgründe führt - entgegen der Auffassung der Betroffenen - nicht zwingend zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Eine solche Auffassung würde auf der fehlerhaften Annahme beruhen, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG nur an Hand der Urteilsgründe überprüft werden könnten. Damit aber würden sachlich-rechtliche Rechtsbeschwerd...