Verfahrensgang

AG Oranienburg (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 13 f OWi 472/19)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 5. September 2019 wird als unbegründet verworfen, da dem Betroffenen das rechtliche Gehör nicht versagt wurde und die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts nicht geboten ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

 

Gründe

Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 2. Dezember 2019, die durch die Ausführungen im Anwaltsschriftsatz vom 10. Dezember 2019 nicht entkräftet werden.

Zu ergänzen ist auf den Anwaltsschriftsatz vom 10. Dezember 2019 jedoch folgendes:

Die Abfassung eines Urteils ohne Gründe stellt zwar einen nicht unerheblichen Rechtsfehler dar, da kein Fall des § 77b OWiG gegeben ist. Jedoch führt allein die Tatsache, dass das Amtsgericht (zunächst) von einer Begründung des Urteils abgesehen hat, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG nicht vorliegen, noch nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde; erforderlich ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 OWiG (grundlegend: BGHSt 42, 187, 189 ff. = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; ebenso OLG Celle NdsRpfl. 1997, 52; OLG Köln NZV 1997, S 371; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 77b Rdnr. 8, § 80 Rdnr. 12, 13; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. statt vieler: Senatsbeschluss vom 9. November 20171 Z - 53 Ss-OWi 653/17 - 308/17; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2012, 1 Z - 53 SS-Owi 256/12 - 136/12; Senatsbeschluss in: VRS 116, 279 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 11. März 2013, 1 Z - 53 Ss-OWi 80/13 - 64/13).

Das Fehlen der Urteilsgründe führt nicht zwingend zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Eine solche Auffassung würde auf der fehlerhaften Annahme beruhen, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG nur an Hand der Urteilsgründe überprüft werden könnten. Damit aber würden sachlich-rechtliche Rechtsbeschwerdegrundsätze auf das Zulassungsverfahren ausgedehnt, ohne dass dies zwingend ist. Die bei Nichtvorliegen von Urteilsgründen lediglich nicht ausschließbare Möglichkeit, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten sein kann, ersetzt nicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG. Hierzu hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass selbst in den Fällen, in denen die Sachrüge erhoben ist, die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde häufig ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden können. Dies gelte insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufzeigen und bei denen nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden kann, dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 OWiG vorliegen. Zur Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist es möglich, den Bußgeldbescheid (vgl. dazu auch BGHSt 23, 336; BGHSt 23, 365; BGHSt 27, 271), den Zulassungsantrag, nachgeschobene Urteilsgründe oder dienstliche Äußerungen heranzuziehen; sonstige Umstände können selbst bei Vorliegen von Urteilsgründen berücksichtigt werden, wenn beispielsweise zu erwägen ist, ob ein rechtsfehlerhaftes Urteil sich als bloße Fehlentscheidung im Einzelfall darstellt (BGHSt 42, 187, 189). All dies folgt schon daraus, dass es sich bei dem Zulassungsverfahren um ein Vorschaltverfahren handelt (vgl. KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rdnr. 5), bei dem ermittelt wird, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchzuführen ist (ständige Senatsrechtsprechung, Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009, 1 Ss-OWi 238 Z/08, abgedr. bei juris; Senatsbeschluss vom 21. November 2011, 1 Z - 53 Ss-OWi 450/11 - 246/11; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2012 1 Z - 53 SS-Owi 256/12 - 136/12; Senatsbeschluss vom 11. März 2013, 1 Z - 53 Ss-OWi 80/13 - 64/13).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Fehlen von Urteilsgründen ist auch nicht aus Gründen der Verfassung (Rechtsstaatsprinzip, Gewährung rechtlichen Gehörs) geboten. Denn durch den Verfahrensverstoß ist der Betroffene nicht gehindert, die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu beantragen und Umstände vorzutragen, die zu einer Zulassung führen können (BGHSt aaO., 190 f.). Da zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde einer einheitlichen und sachgerechten Rechtsprechung und nicht in erster Linie der Entscheidung des Einzelfalls dient, ist es von Verfassung wegen nicht geboten, allein aus dem Umstand, dass Urteilsgründe fehlen, einen Zulassungsgrund herzuleiten.

Dies heißt freilich nicht, dass das Fehlen von Urteilsgründen im Einzelfall nicht zur Begründetheit des Zulassungsantrags führen kann. Bei tatsächlich und rechtlich schwierigen Ordnungswidrigkeitsverfahren mag dies in Einzelfällen anders liegen. Kann ohne Kenntnis der Urteilsgründe nicht ohne weiteres beurteilt werden, ob die Zulassungsvorausse...

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