Leitsatz (amtlich)
Das Jugendamt ist gem. §§ 1915, 1791b, 1887 Abs. 1 BGB als Einzelpfleger zu entlassen, wenn ein geeigneter Einzelvormund zur Verfügung steht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Amtspflegers wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 18.11.2019 (Az. 39 F 57/19) zu Ziffer 2. des Tenors dahin gehend geändert, dass das Jugendamt des Bezirksamtes ... als Pfleger entlassen wird. Die Beteiligten zu 3. werden gemeinschaftlich zu ehrenamtlichen Pflegern bestellt.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Mit Beschluss vom 18.11.2019 hat das Amtsgericht der alleinsorgeberechtigten Mutter des betroffenen Kindes die Gesundheitssorge, das Recht zur Regelung von Schul- und Hortangelegenheiten sowie das Recht zur Beantragung von Hilfe zur Erziehung entzogen. Zum Pfleger ist das Bezirksamt ..., Abteilung Jugend, Familie und Bürgerdienste, bestellt worden.
Seit dem 09.04.2019 lebt das Kind L..., geboren am ... 2012, im Haushalt der Beteiligten zu 3. Vorausgegangen war eine Inobhutnahme durch das oben angeführte Jugendamt. Bei den Beteiligten zu 3. handelt es sich um die Großmutter mütterlicherseits und ihren Ehemann. Zwischen dem Kind und seiner Mutter besteht seit Oktober letzten Jahres kein Kontakt mehr. Die Kindesmutter, die Suchtprobleme hat, ist nicht mehr erreichbar.
Gegen den Beschluss vom 18.11.2019 hat der Amtspfleger mit einem am 29.11.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt, mit der er eine Auswechslung des Pflegers erreichen will. Die Beteiligten zu 3. seien zur Übernahme der Pflegschaft bereit und auch befähigt. Die Bestellung eines Einzelpflegers habe Vorrang vor der Bestellung eines Amtspflegers.
2. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Das Jugendamt des Bezirksamtes ... ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt, da es durch die Bestellung zum Ergänzungspfleger in seiner eigenen Rechtsstellung betroffen ist.
In der Sache führt das Rechtsmittel zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Die Beteiligten zu 3. waren als Ehepaar gemäß §§ 1915, 1887 Abs. 1, 1791 b, 1775 BGB als Ergänzungspfleger für den am ... .2012 geborenen L... zu bestellen und der Amtspfleger zu entlassen.
Das Gesetz geht in §§ 1791 b und 1887 Abs. 1 BGB klar und eindeutig vom Vorrang der Einzelvormundschaft gegenüber der Vormundschaft des Jugendamtes oder eines speziellen Vereins aus. Das Jugendamt oder ein Verein sind zum Vormund nur zu bestellen, wenn kein geeigneter Einzelvormund zur Verfügung steht (erkennender Senat, FamRZ 2014, 1863; OLG Stuttgart, FamRZ 2013, 1318; OLG Nürnberg, FamRZ 2012, 1959). Findet sich ein geeigneter anderer Vormund, so ist gemäß § 1887 Abs. 1 BGB der Amtsvormund zu entlassen. Im Falle einer Amtspflegschaft - wie hier - gilt Entsprechendes (§ 1915 BGB).
Die Beteiligten zu 3. sind willens und auch geeignet, die Pflegschaft zu übernehmen. Es handelt sich hierbei um die Großmutter mütterlicherseits und ihren Ehemann. Der heute achtjährige L... lebt seit dem 09.04.2019 in ihrem Haushalt. Die Beteiligten zu 3. kümmern sich um sämtliche Belange des Kindes und haben bislang sämtliche Kosten getragen. Der Junge wird durch seine Großmutter und deren Ehemann gut versorgt und betreut. Mit ihrer Hilfe hat er die Versetzung in die 2. Klasse der Grundschule geschafft, die aufgrund der Mangelversorgung im Haushalt der Kindesmutter (kein regelmäßiger Schulbesuch, fehlende Förderung von L...) gefährdet war. Die Beteiligten zu 3. sind bereit, die Pflegschaft zu übernehmen. Sie wollen ihrem Enkelkind auch künftig ein liebevolles und geordnetes Zuhause bieten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten zu 3. für die Übernahme der Pflegschaft ungeeignet wären, bestehen nicht. Es hat eine amtswegige Überprüfung im Rahmen der Bestätigung als Pflegeeltern stattgefunden, die nichts Nachteiliges ergeben hat. Das Jugendamt wie auch der Verfahrensbeistand befürworten die Bestellung der Großmutter mütterlicherseits und ihres Ehemannes zu Pflegern. Die Entlassung des Amtspflegers und die Bestellung der Beteiligten zu 3. als geeignete Einzelpfleger entsprechen dem Kindeswohl.
Anzumerken bleibt, dass der Senat nicht darüber zu befinden hat, ob der Kindesmutter weitere Teile der elterlichen Sorge zu entziehen sind. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage der Person des Pflegers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 13696862 |
JAmt 2020, 322 |