Gründe
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Nach der für die Frage der Akteneinsicht demnach maßgeblichen Vorschrift des § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des Gerichts dritten Personen ohne Einwilligung der Parteien Akteneinsicht nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Ein rechtliches Interesse an Akteneinsicht ist gegeben, wenn irgendwelche persönlichen Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden, wozu auch rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen gehören, sofern diese Interessen einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten haben; es muß der Interessenkreis des Antragstellers durch das Verfahren konkret berührt werden (vgl. KG NJW 1988, 1738/1739; Zöller/Greger; ZPO, 20. Aufl., § 299 Rn. 6).
Diese Voraussetzungen sind bei den Gläubigern jedenfalls dann gegeben, wenn das Gericht - wie vorliegend mit Beschluß vom 17.01.1996 - die Sequestration angeordnet und ein allgemeines Veräußerungsverbot nach § 2 Abs. 3 GesO gegen den Schuldner erlassen hat. Denn Sequestration und sonstige vorläufige Maßnahmen zur Sicherung der Masse greifen in die Rechtsstellung der Gläubiger ein. Bei Erlaß des Beschlusses, der die Verfahrenseröffnung mangels Masse abweist oder das Verfahren mangels Masse einstellt, liegt deshalb ihr Bedürfnis, sich durch Einsicht in die Verfahrensakte in die Lage zu versetzen, bestehende Ansprüche oder Folgeansprüche nunmehr gegen den Schuldner zu verfolgen, auf der Hand. Das rechtliche Interesse i. S. v. § 299 Abs. 2 ZPO ist in diesen Fällen indiziert.
Allerdings birgt im Hinblick auf die umfassende Darstellung der Vermögensverhältnisse des Schuldners die Einsicht in die Verfahrensakte die Gefahr schwerwiegender Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners und eröffnet die Möglichkeit, sich über die Kenntnis von Daten ungerechtfertigt wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. So enthalten insbesondere die Berichte der Insolvenzverwalter Fakten und Zahlenmaterial, die Wettbewerbern Aufschluß über die Leistungsfähigkeit, die bestehenden Geschäftsbeziehungen, die Organisationsstrukturen sowie die hergestellten und vertriebenen Produkte vermitteln. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Grundsätzlich muß der einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse, auf gesetzlicher Grundlage und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gebotes der Normenklarheit hinnehmen (vgl. BVerfG, NJW 1988, 3009).
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht steht nach der Auffassung des Senats dem Akteneinsichtsrecht dann nicht entgegen, wenn die Antragsteller durch einen neuen zeitnahen Konkursantrag den gewünschten Überblick über die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin ebenfalls erlangen könnten. Im Falle der zeitnahen Antragstellung käme es praktisch zu einer Wiederholung der Feststellung der Vermögensmasse unter Heranziehung der hier in Rede stehenden Akten, die die Antragsteller dann als Verfahrensbeteiligte gemäß §§ 1 Abs. 3 GesO, 299 Abs. 1 ZPO einsehen könnten. Es käme zu vielen Wiederholungsverfahren, wenn den Gläubigern nicht die Möglichkeit gegeben würde, Einsicht in die Akten des Vorverfahrens zu nehmen. Aus Gründen der Prozeßökonomie sind die Antragsteller, die ihre Stellung als Gläubiger durch Vorlage des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 09.08.1995 glaubhaft gemacht haben, nicht auf diesen Umweg zu verweisen (so auch OLG Köln, MDR 1988, 502/503; OLG Frankfurt, MDR 1996, 379; OLG Braunschweig, ZIP 1997, 894; OLG Naumburg, ZIP 1997, 895).
Allerdings gilt nach Auffassung des Senats das Akteneinsichtsrecht nach Glaubhaftmachung der Konkursgläubigereigenschaft nicht uneingeschränkt. Vielmehr ist der Schuldner von dem Antrag auf Akteneinsicht und seiner Begründung zu informieren und ihm rechtliches Gehör zu gewähren. Denn er wäre auch im Falle eines neuen Antrags auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gem. § 4 Abs. 1 GesO vor der Entscheidung über die Eröffnung zu hören und hätte die Möglichkeit, die Glaubhaftmachung der Forderung durch Gegenglaubhaftmachung zu erschüttern oder - im Falle des Vorliegens einer titulierten Forderung - deren Erfüllung einzuwenden mit der Folge, daß - bei erfolgreicher Verteidigung - der Gesamtvollstreckungsantrag nicht zuzulassen wäre. Wird der Vorrang des Interesses der Gläubiger auf Akteneinsicht gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrechts des Schuldners damit begründet, daß der Gläubiger durch einen neuen Konkursantrag den gewünschten Überblick über die Vermögensverhältnisse des Schuldners erlangen könnte, so müssen dem Schuldner die ihm im Gesamtvollstreckungsverfahren gegenüber dem Antrag eingeräumten Befugnisse auch im Verfahren über die Gewährung der Akteneinsicht eingeräumt werden. Hinzu kommt, daß dem Antrag auf Akteneinsicht trotz Glaubhaftmachung der Gläubigerstellung im Einzelfall auch sachfremde Erwägungen zugrunde liegen können. Über das ...