Verfahrensgang
AG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 23.12.1996; Aktenzeichen 3.2. N 285/95) |
Tenor
Die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Dezember 1996 – 3.2 N 285/95 – wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG statthaft. Die Entscheidung des Vorstandes eines Gerichts nach § 299 Abs. 2 ZPO stellt einen Justizverwaltungsakt im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Antrag ist auch gemäß § 24 EGGVG zulässig, da die Antragsteller geltend machen, durch die ablehnende Entscheidung in ihren Rechten verletzt zu sein. Es bedarf ferner keines behördlichen Vorverfahrens, weil die angefochtene Entscheidung keinem förmlichen Rechtsbehelf im Sinne von § 24 Abs. 2 EGGVG unterliegt. Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist eingehalten.
In der Sache hat der Antrag insoweit Erfolg, als er zur Zurückverweisung an das Amtsgericht führt, das über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat.
Das Amtsgericht hat zutreffend seiner Entscheidung die Vorschrift des § 299 Abs. 2 ZPO zugrundegelegt, die vorliegend über § 1 Abs. 3 GesO zur Anwendung kommt. § 299 II ZPO läßt die Einsicht in Akten zu, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse glaubhaft machen kann. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts beschränkt sich das Akteneinsichtsrecht dabei nicht auf das Recht, Auskünfte aus den Akten zu erhalten. Eine solche Auslegung widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes. § 299 II ZPO läßt ein unmittelbares Akteneinsichtsrecht zu.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts handelt es sich bei einem in der Akte befindlichen Sachverständigengutachten nicht um ein Schriftstück für das gemäß § 299 III ZPO die Akteneinsicht ausgeschlossen ist (OLG Braunschweig, ZIP 1997, S. 894, a.A. LG Magdeburg, Rechtspfleger 1996, 364; Haarmeyer/Seibt, Akteneinsicht durch Gläubiger und „Dritte” im Insolvenzverfahren in Rechtspfleger 1996, 221 ff., 222, 228; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Auflage, § 299 Rz. 6). Sinn und Zweck des § 299 III ZPO ist es, zu verhindern, daß Außenstehende einen Einblick in die Entscheidungsfindung des Gerichts erhalten. Entscheidungsentwürfe, die zur Vorbereitung der Entscheidungen gelieferten Arbeiten (z.B. Voten) sowie Schriftstücke, die Abstimmungen betreffen, stellen ausschließlich interne Vorgänge des Gerichts dar und sollen Dritten deshalb nicht zugänglich gemacht werden. Das Gutachten des Verwalters enthält demgegenüber Tatsachenfeststellungen, die das Gericht benötigt, um über die Eröffnung bzw. Einstellung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zu entscheiden. Es handelt sich hierbei um die von Amts wegen zu ermittelnde tatsächliche Grundlage für die Entscheidung des Gerichts und nicht lediglich um einen Vorgang der internen Entscheidungsfindung.
Maßgebend für die Frage der Akteneinsicht ist deshalb § 299 Abs. 2 ZPO. Die Antragsteller tragen vor, Gläubiger der Z. Elektronik Handelsgesellschaft mbH zu sein. Nach der Systematik der Gesamtvollstreckungsordnung werden die Gläubiger erst mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in das Verfahren einbezogen und sind demgemäß erst ab Verfahrenseröffnung Beteiligte und damit Parteien im Sinne von § 299 Abs. 1 ZPO. Bis zum Zeitpunkt der Eröffnung sind die Gläubiger des Gemeinschuldners deshalb Dritte im Sinne von § 299 Abs. 2 ZPO. Gleiches gilt, wenn der Gesamtvollstreckungsantrag mangels Masse nach § 4 Abs. 2 GesO abgewiesen wird. Folglich kann der Vorstand des Gerichts vorliegend ohne Einwilligung des Schuldners die Akteneinsicht nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
Ein rechtliches Interesse an Akteneinsicht ist gegeben, wenn irgendwelche persönlichen Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden, wozu auch rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen gehören, sofern diese Interessen einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten haben; es muß der Interessenkreis des Antragstellers durch das Verfahren konkret berührt werden (vgl. KG NJW 1989, 534, 535; 1988, 1738, 1739; Zöller/Greger, ZPO, 20. Auflage, § 299 Rz. 6).
Diese Voraussetzungen sind bei den Gläubigern jedenfalls dann gegeben, wenn das Gericht – wie vorliegend mit Beschluß vom 17. Januar 1996 – die Sequestration angeordnet und ein allgemeines Veräußerungsverbot nach § 2 Abs. 3 GesO gegen die Schuldnerin erlassen hat. Sequestration und sonstige vorläufige Maßnahmen zur Sicherung der Masse greifen in die Rechtsstellung der Gläubiger ein. Bei Erlaß des Beschlusses, der das Gesamtvollstreckungsverfahren mangels Masse einstellt, besteht deshalb ein Interesse des Gläubigers, sich durch Einsicht in die Verfahrensakte in die Lage zu versetzen, bestehende Ansprüche oder Folgeansprüche nunmehr gegen den Schuldner zu verfolgen. Das rechtliche Interesse im Sinne von § 299 Abs. 2 ZPO ist in diesen Fällen indiziert.
Allerdings birgt die Einsicht in die Verfahrensakte im Hinb...