Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterliche Kontrolle von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich

 

Normenkette

FamFG §§ 26, 69 Abs. 1 S. 3; VersAusglG §§ 7-8; BGB § 242

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Beschluss vom 15.04.2014; Aktenzeichen 20 F 115/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 15.4.2014 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Nauen, Az.: 20 F 115/13, mitsamt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen..

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 17.000,- EUR festgesetzt

 

Gründe

I. Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Verbundbeschluss, mit dem das AG die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hat.

Die Ehegatten schlossen am 31.1.2002 die Ehe. In Ansehung der Rückkehr nach Deutschland am Ende eines längeren beruflichen Auslandsaufenthalts vereinbarten sie im Rahmen eines notariellen Ehevertrages am 9.11.2007 die Gütertrennung, verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt und schlossen den Versorgungsausgleich vollständig aus.

Aus der Ehe sind zwei gemeinschaftliche Kinder hervorgegangen:

...

Die Eheleute leben seit dem 17.12.2011 voneinander getrennt. Die Antragstellerin erzielte bei Trennung ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 3.300,- EUR, der Antragsgegner 1.400,- EUR.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist, hat das AG die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich nicht durchgeführt, da er formgemäß ausgeschlossen sei, ohne dass Wirksamkeitshindernisse nach §§ 7, 8 VersAusglG ersichtlich seien.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsgegner im Wesentlichen geltend, das AG habe den Versorgungsausgleich zu Unrecht und verfahrensfehlerhaft ausgeschlossen, da der Ehevertrag vom 9.11.2007 einer Inhalts- und Ausübungskontrolle nicht standhalte. Er sei durch Kinderbetreuung und Führung des gemeinsamen Haushalts über mehr als 6 1/2 Jahre in erheblichem Umfang daran gehindert gewesen, durch eine eigene Erwerbstätigkeit hinreichende Versorgungsansprüche zu erwirtschaften.

Er beantragt, die amtsgerichtliche Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug. Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und hat vorläufig dahingehend Erfolg, dass das Verfahren, wie von ihm beantragt, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen ist, § 69 Abs. 3 Satz 3 FamFG.

Das Verfahren des AG leidet an einem wesentlichen Mangel, auf dem die angefochtene Entscheidung, soweit sie angegriffen ist, beruht. Das AG hat gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) verstoßen, indem es die hier für eine richterliche Kontrolle (vgl. § 8 VersAusglG) des Ehevertrags vom 9.11.2007 unverzichtbare Tatsachenaufklärung unterlassen hat.

Die richterliche Kontrolle, ob durch eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung entsteht, hat der Tatrichter durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände hierzu Veranlassung geben (BGH, Beschl. v. 29,01.2014 - XII ZB 303/13 Rn. 21, juris). Die Sachverhaltsumstände geben jedenfalls dann zu einer näheren Prüfung Veranlassung, wenn sich das Vorliegen einer typischen Unwirksamkeitsfallgruppe aufdrängt (vgl. Götsche, in: Götsche/Rehbein/Breuers, VersAusglG, § 8 Rn. 58 m.w.N.). Im Falle eines abbedungenen Versorgungsausgleichs drängt sich bei langjähriger Betreuung gemeinsamer Kinder und erheblicher Einkommensunterschiede der Ehepartner eine typische Unwirksamkeitsfallgruppe unter dem Gesichtspunkt einer Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) auf (vgl. Bergschneider, Richterliche Inhaltskontrolle von Ehescheidungsverträgen und Scheidungsvereinbarungen, S. 31 m.w.N.). So liegt es hier, da aus der Ehe zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, mit einem durchgehend erheblichen Betreuungsbedarf und in Ansehung der beträchtlichen Erwerbsunterschiede der Ehegatten bei Trennung.

Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Vielmehr sind sämtliche für eine Inhalts- und Ausübungskontrolle erheblichen Umstände noch ungeklärt, so ist neben der Ermittlung der sonstigen Einkommens-, Vermögens- und persönlichen Verhältnisse beider Beteiligter insbesondere auch noch die Einholung der Auskünfte der Versorgungsträger, aus denen zur Beurteilung ...

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