Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschlechterungsverbot des § 331 StPO. Gesamtstrafenübel
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts ... vom 16. Mai 2013 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte wird wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen tragen die Landeskasse und der Angeklagte jeweils zur Hälfte.
Gründe
I.
Das Amtsgericht ... sprach den Angeklagten mit Urteil vom 12. September 2012 der Nötigung in Tatmehrheit mit Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung schuldig und verhängte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, wobei für beide Taten jeweils sieben Monate festgesetzt wurden. Auf seine Berufung ist der Angeklagte mit dem angefochtenen Urteil wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. In der Berufungshauptverhandlung erging der rechtliche Hinweis gem. § 265 Abs. 2 StPO, dass bezüglich der Vorwürfe der Nötigung, Beleidigung und Bedrohung statt Tatmehrheit auch Tateinheit in Betracht komme. In den Urteilsgründen heißt es, die Nötigung stünde, wäre sie begangen worden, in Tateinheit mit der Bedrohung und Beleidigung. Es könne allerdings nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Angeklagte die Zeugin genötigt habe. Da die Tat in Tateinheit begangen worden sei, sei ein gesonderter Freispruch nicht geboten.
Mit seiner am 23. Mai 2013 bei Gericht eingegangenen, nach Urteilszustellung am 06. Juni 2013 mit Anwaltsschriftsatz vom 04. Juni 2013 begründeten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
1) Die gem. §§ 333 StPO statthafte, gem. §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgemäß eingelegte Revision ist zulässig.
2) Die Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Der Strafausspruch des Berufungsurteils kann keinen Bestand haben, da das Verbot der Schlechterstellung gem. § 331 StPO verletzt wird, indem der Angeklagte wegen der Tat, deretwegen er erstinstanzlich zu einer Einzelstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde, nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist.
Das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO gilt nicht nur für die Gesamtstrafe, sondern für alle ihr zugrunde liegende Einzelstrafen, (Bbg. OLG, B. v. 18. September 2009, 1 Ss 33/09, zitiert nach juris; BayObLG, B. v. 11. September 2003, NStZ-RR 2004, 22; Meyer-Goßner, 56. A. 2013, § 331 Rn. 18). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung darüber, ob er von dem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch macht, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung des Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt höherer Bestrafung entstehen, (Bbg. OLG, aaO.). Allerdings wird der Richter nicht gezwungen, die Gesamtstrafe zu reduzieren, wenn eine von mehreren Verurteilungen wegfällt. Denn das Verbot der Schlechterstellung will den Angeklagten nicht in den Genuss eines zusätzlichen, ihm nicht zustehenden Vorteils bringen. Werden Einzelstrafen etwa wegen fehlerhafter Annahme von Tatmehrheit aufgehoben, so steht das Verbot der Schlechterstellung einer Erhöhung der bisherigen Einsatzstrafe nicht entgegen, wobei die Höhe der neuen Einzelstrafe weder die Summe der bisherigen Einzelstrafen noch die Höhe der bisherigen Gesamtstrafe überschreiten darf. Bei Wegfall einer Anzahl von Einzelstrafen kann das Berufungsgericht aus den verbliebenen Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe bis zur Höhe der angegriffenen Gesamtstrafe bilden. Nur das Gesamtstrafübel darf nicht überschritten werden, (BGH, B. v. 21. Mai 2003, NStZ-RR 2003, 272; Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. A. 2008, § 331 Rn. 2a). Bleibt allerdings nur eine Verurteilung für eine Tat übrig, darf die für sie festgesetzte Einzelstrafe nicht überschritten werden (Paul, aaO.).
Im vorliegenden Fall konnte das Gesamtstrafübel der erstinstanzlichen Verurteilung nicht die Obergrenze für die Neufestsetzung der Strafe in der Berufungsinstanz bilden, da eine Gesamtstrafenbildung nicht erfolgte.
Anders als in den Fällen der Neufestsetzung einer Gesamtstrafe unter Erhöhung von Einzelstrafen kann dann, wenn der von § 54 StGB eröffnete Spielraum der Gesamtstrafenbildung nicht zur Verfügung steht, das bisherige Gesamtstrafübel nicht die Obergrenze der neu zu bildenden Einzelstrafe sein. Die Annahme des Gesamtstrafübels als Obergrenze des Schlechterstellungsverbots setzt zwangsläufig voraus, dass eine Gesamtstrafenbildung stattfindet. Findet keine Gesamtstrafenbildung statt, dann gebietet das Schlechterstellungsverbot, die bisherige Einzelstrafe nicht zu überschreiten, auch wenn da...