Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsbeiordnung für bedürftige Partei
Leitsatz (redaktionell)
Hat das Familiengericht ohne vorherige Anhörung im Wege der einstweiligen Anordnung die persönliche Kontaktaufnahme eines Vaters mit seinen Kindern untersagt, ist die Beiordnung eines Anwalts im Umgangsverfahren erforderlich, wenn davon auszugehen ist, dass eine bemittelte Partei in der Lage der unbemittelten Partei vernünftigerweise anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen würde.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2; ZPO § 114 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Beschluss vom 12.03.2010; Aktenzeichen 11 F 48/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Königs Wusterhausen vom 12.3.2010 - 11 F 48/10 - abgeändert. Dem Antragsgegner wird für das Verfahren erster Instanz Rechtsanwältin ... aus E. beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg. Dem Antragsgegner ist die von ihm ausgewählte Rechtsanwältin beizuordnen.
In Kindschaftssachen ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 1 FamFG). Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ist deshalb der bedürftigen Partei gem. § 78 Abs. 2 FamFG ein vertretungsbereiter Anwalt nur dann beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint.
Die Wahrung des Anspruchs der unbemittelten Partei auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift die weitgehende Angleichung der Möglichkeiten von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Eine Beiordnung ist daher regelmäßig dann i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich, wenn auch eine bemittelte Partei einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (BVerfG FamRZ 2004, 1013, NJW-RR 2007, 1713; B. v. 6.5.2009 - 1 BvR 439/08, Zit. juris). Dabei ist nicht auf den objektiven Beurteilungsmaßstab eines Rechtskundigen abzustellen, sondern darauf, ob eine bemittelte Partei in der Lage der unbemittelten vernünftigerweise anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen würde (BVerfG, a.a.O.).
Davon ist hier auszugehen. Nachdem das Familiengericht ohne vorherige Anhörung im Wege der einstweiligen Anordnung die persönliche Kontaktaufnahme des Antragsgegners mit seinen Kindern untersagt hatte, konnte der mit dem Verfahrensrecht nicht vertraute Antragsgegner annehmen, sein Elternrecht auf Umgang ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht wirksam wahrnehmen zu können. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner sich in dem Umgangsverfahren mit Vorwürfen der Antragstellerin konfrontiert sah, die auf deren Anzeige hin Gegenstand polizeilicher Ermittlungen gegen ihn waren und durchaus auch die Gefahr des Verlustes seines Mitsorgerechts in sich bargen. Es ist anzunehmen, dass auch eine vermögende Partei in der Lage des Antragsgegners unter diesen Umständen anwaltlichen Beistand für ihre Einlassungen im Kindschaftsverfahren in Anspruch genommen hätte, um keinen Rechtsverlust befürchten zu müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2370361 |
NJW-RR 2010, 1158 |
FamFR 2010, 327 |