Leitsatz (amtlich)
Zur summarischen Prüfung der Voraussetzungen eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe, insbesondere dazu, dass die Absicht, vom anderen Elternteil für die Aufwendungen Ersatz zu verlangen, diesem gegenüber hinreichend deutlich gemacht werden muss und zur Verwirkung des Anspruchs.
Normenkette
BGB § 1606 Abs. 3, § 242
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 22.03.2016; Aktenzeichen 2.1 F 2/16) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Antragsteller kann Verfahrenskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden.
1. Zu Unrecht hat das AG dem Begehren des Antragstellers, der Geltendmachung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs, die hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen. Zwar ist die Rechtsauffassung des AG, soweit es das Vorliegen der Voraussetzungen für einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch angeht, vertretbar. Die Ansicht des AG fußt aber auf schwierigen Rechtsfragen, die das AG nicht im summarischen Verfahren der Verfahrenskostenhilfe (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 167) zulasten des Antragstellers hätte entscheiden dürfen. Denn auch der Bedürftige muss die Chance haben, schwierige Rechtsfragen obergerichtlich klären zu lassen. Soweit es bei der Frage, ob für das Begehren des um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten hinreichende Erfolgsaussicht besteht, um die Rechtslage geht, reicht es somit aus, dass der Standpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar ist. Das gilt insbesondere, wenn es sich um eine Sache von grundsätzlicher Bedeutung handelt, derentwegen die Revision oder die Rechtsbeschwerde zugelassen werden müsste (vgl. BVerfG, NJW 1991, 413; FamRZ 2002, 665; BGH, FamRZ 2003, 671; Senat, FamRZ 2000, 1033, 1035; Zöller/Geimer, a.a.O., § 114 Rn. 21; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 172). So liegt der Fall hier.
a) Vorliegend macht der Antragsteller gegen seine geschiedene Ehefrau, die Antragsgegnerin, einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch für den Zeitraum vom 1.7.2012 bis zum 31.7.2014, als der gemeinsame Sohn K. bei ihm gelebt hat, geltend. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil für Fälle anerkannt, in denen ein Elternteil allein für den Unterhalt eines gemeinsamen ehelichen Kindes aufgekommen ist, obwohl auch der andere dem Kind unterhaltspflichtig war. Dieser Ausgleichsanspruch beruht auf der Unterhaltspflicht beider Eltern gegenüber ihrem Kind und ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Unterhaltslast im Verhältnis zwischen ihnen entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen. Der Anspruch ist jedoch an die Voraussetzung geknüpft, dass der den Unterhalt leistende Elternteil mit seiner Leistung eine im Innenverhältnis der Eheleute zueinander dem anderen Elternteil obliegende Verpflichtung gegenüber dem Kind erfüllt haben müsse. Der den Unterhalt anstelle des anderen leistende Elternteil muss mit seiner Leistung eine Verbindlichkeit erfüllt haben, die sich im Verhältnis zu dem Kind als Verpflichtung des anderen Elternteils darstellte (BGH, NJW 1994, 2234). Überdies muss der Elternteil, der Ersatz verlangt, was das AG im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, zu der Zeit, als er die Leistung erbracht hat, die Absicht gehabt haben, einen solchen Ersatz zu beanspruchen (BGH, NJW 1968, 1780). Die insoweit zu stellenden Anforderungen hat das AG - jedenfalls soweit es um die summarische Prüfung im Rahmen der Verfahrenskostenhilfebewilligung geht - überspannt.
Allerdings muss die Absicht, vom anderen Elternteil für die Aufwendungen Ersatz zu verlangen, diesem gegenüber hinreichend deutlich gemacht werden (BGH, NJW 1994, 2234; Senat, Beschluss vom 26.1.2016 - 10 UF 92/14). Demgemäß kann ein Ausgleich für die Vergangenheit außer ab Verzug oder Rechtshängigkeit (entsprechend § 1613 Abs. 1 BGB) auch von dem Zeitpunkt an verlangt werden, zu dem der Anspruchsteller als gesetzlicher Vertreter des Kindes gegen den anderen Klage auf Kindesunterhalt erhoben hat (BGH, NJW 1989, 2816 f.). Diese Rechtsprechung hat das AG zwar auch zitiert, aber in diesem Zusammenhang eine Formulierung gewählt, die darauf schließen lässt, dass es die Geltendmachung eines Anspruchs auf Kindesunterhalt als zwingende Voraussetzung dafür ansieht, eine Absicht auf Aufwendungsersatz deutlich zu machen. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr ist die Absicht, Ersatz zu verlangen, jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Elternteil als (früherer) zusätzlicher Vertreter des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen gerichtlich geltend gemacht hat (Wendl/Klinkhamm...