Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbstatut

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Anwendbarkeit des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB bei Erbfällen, in denen es ohne die beitrittsbedingte Rechtsänderung zum BGB zur erbrechtlichen Gleichstellung eines nichtehelichen Kindes mit ehelichen gekommen wäre.

 

Normenkette

EGBGB Art. 235 § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 13.03.1995; Aktenzeichen 16 T 103/95)

AG Fürstenwalde (Aktenzeichen 22 VI 763/92)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. März 1995 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Einziehung des am 24.02.1989 vom Staatlichen Notariat Fürstenwalde (60-11-89) zugunsten der Beteiligten zu 1) und 2) erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 01.09.1994 zurückgewiesen. Denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes.

In Erbfällen vor dem 03.10.1990, dem Tage des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB das bisherige Recht für die erbrechtlichen Verhältnisse im weitesten Sinne. Als rein intertemporale Norm regelt Art. 235 EGBGB allerdings nicht, ob auf einen früheren Erbfall das in der früheren DDR oder das im bisherigen Bundesgebiet geltende Recht zur Anwendung kommt, setzt vielmehr eine Zuordnung des erbrechtlichen Verhältnisses zu einer der beiden Teilrechtsordnungen bereits voraus (Palandt/Edenhofer, BGB, 55. Aufl., EGBGB 235 § 1, Rz 5). Die danach gebotene interlokale Vorprüfung nach dem in der alten Bundesrepublik Deutschland seit langem entwickelten interlokalen Privatrecht (Palandt/Edenhofer, a.a.O.) führt zur Anwendung des beim Tode des Erblassers geltenden Erbrechts der DDR. Denn im Erbrecht gilt einheitlich im gesamten Bundesgebiet die Regel, daß sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilordnung richtet, deren räumlichem Geltungsbereich der Erblasser durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt angehörte (BGH, NJW 1994, 582). Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers aber befand sich in der DDR, so daß vorliegend das Recht der DDR Anwendung findet.

Nach dem zur Zeit des Erbfalls geltenden Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB), das am 01.01.1976 in Kraft trat, bilden der Ehegatte des Erblassers und seine Kinder die gesetzlichen Erben erster Ordnung, § 365 Abs. 1 ZGB. Kinder im Sinne dieser Vorschrift sind auch die nichtehelichen Kinder des Erblassers. Denn besondere erbrechtliche Regelungen für das nichteheliche Kind enthält das ZGB nicht. Vielmehr knüpft es an die bereits bei Inkrafttreten des ZGB erreichte erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder an (Palandt/Edenhofer, a.a.O., Einl. vor § 1922, Rz 5). Auf den Aufenthalt etwa vorhandener nichtehelicher Kinder, deren Geburtsort oder deren Staatsangehörigkeit der früheren DDR kommt es nicht an, so daß es auch im alten Teil der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben kann. Das erhellt die Vorschrift des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB (vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O., EGBGB 235 § 1, Rz 3).

Nach Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB gelten (auch sonst) anstelle der §§ 1934a bis 1934e und 2338a des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn das nichteheliche Kind vor dem Wirksamwerden des Beitritts geboren ist, die Vorschriften über das Erbrecht des ehelichen Kindes. Damit wird bei gesetzlicher Erbfolge für die vor dem Beitritt geborenen nichtehelichen Kinder selbst für einen unter das BGB fallenden, mithin nach dem 02.10.1990 eingetretenen Erbfall die volle erbrechtliche Gleichstellung mit ehelichen Kindern hergestellt. Mit Rücksicht auf das für nichteheliche Kinder bessere Erbrecht der früheren DDR ist so eine beim Beitritt bereits begründete volle Erbaussicht erhalten geblieben (Palandt/Edenhofer, a.a.O., EG 235 § 1, Rz 2). Dementsprechend betrifft Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB nur solche Erbfälle, in denen es ohne die beitrittsbedingte Rechtsänderung zum BGB zur erbrechtlichen Gleichstellung eines nichtehelichen Kindes mit ehelichen infolge Anwendung des Erbrechts der früheren DDR gekommen wäre. Hatte der Erblasser am 02.10.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet und wäre deshalb bei seinem Tod zu diesem Zeitpunkt Erbstatut das Recht der früheren DDR gewesen, ist Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB auf den späteren tatsächlichen Erbfall anzuwenden (Palandt/Edenhofer, a.a.O.). Von der Gleichberechtigung erfaßt werden alle nichtehelichen Kinder, ungeachtet ihres Aufenthalts, ihres Geburtsortes oder ihrer Staatsangehörigkeit, so daß sie auch im alten Teil der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben können (Palandt/Edenhofer, a.a.O., EGBGB 235 § 1, Rz 3 m. w. N.).

Stehen aber auch bei Erbfällen unter der Geltung des BGB ...

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