Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt, kann dahinstehen, wenn die Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung den Sachverhalt nicht umfassend würdigt und daher ermessensfehlerhaft ist.

2. In Kindschaftssachen ist hinsichtlich der Auferlegung der Kostenerstattungspflicht auf einen Beteiligten Zurückhaltung geboten. Es muss daher nicht billigem Ermessen widersprechen, in einem Verfahren, in dem es um die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge geht, die Kosten nach Antragsrücknahme beiden Eltern zu gleichen Teilen aufzuerlegen, wenn der Antrag auf Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts nicht von vornherein für den Antragsteller erkennbar keine Aussicht auf Erfolg hatte.

 

Normenkette

FamFG § 81

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 18.06.2014; Aktenzeichen 6 F 1053/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 18.6.2014 hinsichtlich der Kostenentscheidung abgeändert.

Die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz tragen die beteiligten Eltern jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 1.000 EUR festgesetzt.

Der Wert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der amtsgerichtlichen Wertfestsetzung auf 3.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag vom 2.12.2013 in Abänderung eines Beschlusses des AG Bernau bei Berlin - 6 F 155/09 - vom 21.10.2009 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre aus der geschiedenen Ehe der Beteiligten zu 1. und 2. hervorgegangene Tochter L., geboren am ...7.2003, beantragt. Sie hat ferner die Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Schulwahl auf sich allein begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie besser in der Lage sei, für die täglichen Belange von L. zu sorgen. Der Vater lasse die Tochter häufig in der Obhut der Großeltern und kümmere sich nicht selbst um ihre Angelegenheiten. Die Großeltern reagierten auf die Lernschwierigkeiten von L. ungeduldig und nicht sachgerecht. Es entspreche dem Willen von L., bei ihr, der Mutter, zu leben. Sie beabsichtige, L. in eine Förderschule umzuschulen. Auf dieses Anliegen, das sie dem Vater unterbreitet habe, sei er nicht eingegangen.

Dem ist der Vater entgegengetreten, hat darauf hingewiesen, dass er für L. s Belange umfassend - auch im Hinblick auf die Frage eines Schulwechsels - Sorge trage und die Auffassung geäußert, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter vor allem wegen einer anhaltenden depressiven Erkrankung nicht in Betracht komme. L. werde lediglich während seiner Arbeitszeiten von den Großeltern betreut. Zu ihnen habe sie ein gutes Verhältnis. Die Kontinuität der Lebensverhältnisse bei ihm spreche gegen eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter.

Das AG hat Stellungnahmen des Jugendamtes, der Verfahrensbeiständin, der Betreuerin der Mutter und des Schulamtes ... eingeholt und die Beteiligten persönlich angehört. Durch Beschluss vom 18.6.2014 hat es die Anträge der Mutter zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die Beschwerde der Mutter, mit der sie geltend macht, ihr Antrag habe Aussicht auf Erfolg gehabt, weil eine sichere Prognose darüber, ob ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Entscheidung über die Schulwahl zu übertragen seien, nicht ohne weitere Ermittlungen habe getroffen werden können. Sie habe auch nicht der Wahrheit zuwider vorgetragen. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich stabilisiert. Sie habe ausgeführt, dass die Betreuung noch bestehe, sie aber weitgehend nicht mehr auf einen Betreuer angewiesen sei. Hinsichtlich der Schulwahl liege bis heute keine eindeutige fachliche Stellungnahme vor, so dass sie sich auf die Angaben einer Lehrerin habe verlassen und um einen Schulwechsel habe bemühen müssen. Der Antragsgegner tritt dem entgegen und wendet ein, dass der Antragstellerin bei Antragstellung aktuelle Einschätzungen über ihre eigene gesundheitliche Situation und die Notwendigkeit eines Schulwechsels von L. vorgelegen hätten, die gegen die von der Mutter angestrebten rechtlichen Änderungen gesprochen hätten.

II. Das gem. §§ 58 ff. FamFG unabhängig vom Erreichen der Mindestbeschwer von über 600 EUR, § 61 Abs. 1 FamFG, zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin (vgl. BGH FamRZ 2013, 1876 Rz. 6) ist teilweise begründet und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.

Mit der Endentscheidung ist über die Kosten des Verfahrens nach den §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG zu entscheiden. Danach kann das Gericht die Kosten des Verfa...

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