Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsumfang bei Sorgerechtsentzug durch einstweilige Anordnung
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 6, § 1666a Abs. 1; FamFG § 49 Abs. 1, § 157 Abs. 3; GG Art. 6 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 04.05.2015; Aktenzeichen 21 F 38/15) |
Tenor
Die Beschwerden der Antragsgegner gegen den Beschluss des AG Nauen vom 4.5.2015 (einstweilige Anordnung im Protokoll des AG vom selben Tage) werden zurückgewiesen.
Das AG hat mit einem spätestens am 12.11.2015 zu erlassenden Beschluss zu entscheiden, ob die einstweilige Anordnung aufrechtzuerhalten, zu ändern oder aufzuheben ist. Bleibt die einstweilige Anordnung aufrechterhalten, so sind weitere Beschlüsse jeweils in Abständen von längstens drei Monaten anzuschließen.
Die Antragsgegner tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragsgegner wenden sich gegen die Entziehung von Teilen der elterlichen Sorge durch eine einstweilige Anordnung.
I. Die Antragsgegner sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern dreier Kinder, zweier im April 2005 und Juli 2006 geborener Mädchen und eines im Dezember 2013 geborenen Jungen.
Ein von 2012 bis 2014 geführtes Verfahren (21 F 157/12) endete ohne kindesschutzrechtliche Maßnahmen. Das Jugendamt hatte eine Mitteilung der Polizei erhalten, die einen Beschuldigten festgenommen habe, der zugegeben habe, eines der Mädchen unbekleidet photographiert und das andere sexuell missbraucht und dabei gefilmt zu haben. Die Antragsgegner hätten sowohl therapeutische Hilfe als auch andere Hilfsangebote des Jugendamtes für ihre Kinder abgelehnt. Nachdem beide Mädchen mit Zustimmung der Antragsgegner in eine Familienwohngruppe eines freien Trägers der Jugendhilfe aufgenommen wurden, sah das AG keinen Grund, hoheitlich einzugreifen. Die Akten jenes Verfahrens, in dem ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten erstattet wurde, liegen dem Senat vor.
Das hier geführte Verfahren hat mit einer Mitteilung des Jugendamtes begonnen (Bl. 1 ff.), das ältere der Mädchen habe nach einem der regelmäßigen Wochenendaufenthalte im Haushalt der Antragsgegner am 6.4.2015 erzählt, sie habe den Antragsgegner, nachdem er seine Hose heruntergelassen habe, "lecken oder lutschen" sollen, und der Antragsgegner habe sich zu ihr ins Bett gelegt und sie angefasst. Die daraufhin befragte Antragsgegnerin habe berichtet, am Morgen nach dem fraglichen Vorfall habe sie den Antragsgegner mit heruntergezogener Hose im Bett des Mädchens vorgefunden, und das Mädchen habe ihr erzählt, sie habe den Penis des Antragsgegners in den Mund nehmen und ihn küssen müssen. Der Antragsgegner habe angegeben, sich wegen seiner Alkoholisierung an nichts erinnern zu können. Die Antragsgegnerin habe den Bericht des Mädchens nicht für wahr gehalten. Zum einen sei der Antragsgegner betrunken nicht erektionsfähig. Zum anderen liege näher, die Äußerungen des Mädchens beruhten auf dessen Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch durch den Großvater (Vaterseite, Bl. 22) und einen weiteren Dritten. Das Mädchen sei vom Träger der Wohngruppe einer Gynäkologin vorgestellt worden, die eine Untersuchung auf Missbrauchsspuren wegen der verstrichenen Zeit für unergiebig gehalten habe. Das Mädchen sei in der Wohngruppe durch übersteigert sexualisiertes Verhalten aufgefallen.
Das Jugendamt hat die Antragsgegner für unfähig gehalten, für den Schutz der Kinder zu sorgen.
Der Verfahrensbeistand hat von einem Gespräch mit einer Wohngruppenerzieherin berichtet (Bl. 19 ff.). Beide Mädchen seien nach dem fraglichen Vorfall durch sexualisierte Wortwahl aufgefallen, das ältere weitaus deutlicher als das jüngere. Beide Mädchen zeigten Verhaltensauffälligkeiten und Leistungseinschränkungen, insbesondere erhebliche Störungen in der Nähe-Distanz-Regulation. Das ältere Mädchen sei ständig in Bewegung, leicht manipulierbar und geistig behindert. Wochenendaufenthalte im Haushalt der Antragsgegner seien ausgesetzt. Die Antragsgegnerin besuche die Mädchen in der Wohngruppe, der Antragsgegner nicht.
Das AG hat die Antragsgegner, den Verfahrensbeistand und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes angehört. Auf das Protokoll vom 4.5.2015 (Bl. 25 f.) wird verwiesen. Nach der Erklärung der Antragsgegner, sie seien mit der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitssorge durch das Jugendamt einverstanden, hat das AG in der mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Beschluss den Antragsgegnern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge für die beiden Mädchen entzogen, Pflegschaft angeordnet und das Jugendamt zum Pfleger bestimmt. Mit einem nach der Anhörung am selben Tage erlassenen Beschluss hat das AG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens einer Psychologin angeordnet, um die Glaubhaftigkeit der Missbrauchsangaben der Kinder und die Erziehungsfähigkeit der Antragsgegner beurteilen zu lassen.
Die Antragsgegner haben Beschwerde eingelegt, indem sie erklärt haben, mit der Ausübung des Au...