Leitsatz (amtlich)
Die einstweilige Anordnung (§ 49 FamFG) darf nur solche Gebote enthalten, die eine Rechtsgrundlage in den Vorschriften finden, die die Hauptsache regeln. Damit wird eine materielle Akzessorietät der einstweiligen Anordnung vorgeschrieben.
Das dringende Bedürfnis zu sofortigem, einstweiligem Einschreiten (§ 49 I FamFG) besteht, wenn eine Folgenabwägung ergibt, dass die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die einstweilige Anordnung unterbleibt, die Hauptsache aber im Sinne des Antragstellers entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch die vorläufige Maßnahme eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln ist, wenn sich der Antrag in der Hauptsache als erfolglos erweisen sollte. Auf die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache gestellten Anträge kommt es mithin nicht an.
Verfahrensgang
AG Zossen (Beschluss vom 03.03.2015; Aktenzeichen 6 F 4/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG Zossen vom 3.3.2015 abgeändert:
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
Im Verfahren zum Erlass des Beschlusses des AG vom 7.1.2015 - 6 F 645/14 - werden Gerichtskosten nicht erhoben. Im Übrigen trägt der Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten, die im Beschwerdeverfahren 13 UF 19/15 entstanden sind.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller strebt die Betreuung des Kindes im Wechselmodell gegen den Willen der Antragsgegnerin an.
I. Der Antragsteller und die Antragstellerin sind die Eltern des im Juni 2002 geborenen Kindes. Sie sind verheiratet und leben seit August 2014 voneinander getrennt. Das Kind wohnt im Haushalt der Antragsgegnerin. Alle zwei Wochen hält es sich zum Umgang mit dem Antragsteller von Donnerstag nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn im Haushalt des Antragstellers auf.
Der Antragsteller hat die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich allein beantragt - mit der erklärten Absicht, so den Aufenthalt des Kindes zu gleichen Anteilen abwechselnd in beiden Elternhaushalten, das sog. Wechselmodell, durchzusetzen (Bl. 32 ff.). Die Antragsgegnerin hat sich gegen das Wechselmodell gewandt, weil sie dazu eine Selbständigkeit des Kindes für erforderlich hält, die es noch nicht aufweise, und weil sie die häuslichen Umstände des Antragstellers nicht kenne und an seiner Verlässlichkeit beim Bewältigen des Alltags mit dem Kind zweifle.
Das AG hat zu diesem Antrag die Eltern, eine Mitarbeiterin des Jugendamtes und das Kind persönlich angehört. Auf das in der Sache 6 F 645/14 aufgenommene Protokoll vom 7.1.2015 (hier Bl. 8 ff.) wird verwiesen. Sodann hat es am Tag der Anhörung durch einstweilige Anordnung dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Maßgabe übertragen, das Wechselmodell mit wöchentlichem Wechsel zu praktizieren (Bl. 2 ff.). Es hat ausgeführt, es sei von Amts wegen zum Einschreiten zur Abwehr einer latenten Gefährdung des Kindeswohls berufen. Das Kind habe autonom angegeben, das Wechselmodell zu wollen, und die von ihm geschilderten Unzuträglichkeiten - Schlafstörungen, Vermissen des Vaters, unerträgliches Schlechtreden des Vaters durch die Mutter - seien auf die Verweigerung der Antragsgegnerin zurückzuführen.
Der Senat hat die einstweilige Anordnung aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen, weil eine Gefährdung des Kindeswohls nicht festgestellt, die Ermittlungsschwelle aber erreicht und die Bestellung eines Verfahrensbeistandes unabdingbar sei (13 UF 19/15, Bl. 65 ff.).
Der Antragsteller hat nach der Zurückverweisung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (Bl. 88 f.), und das AG hat das von Amts wegen begonnene Verfahren mit dem Antragsverfahren verbunden (Bl. 84). Es hat einen Verfahrensbeistand bestellt und alle Beteiligten, auch das Kind, erneut persönlich angehört. Auf das Protokoll vom 3.3.2015 (Bl. 147 ff.) wird verwiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG erneut durch einstweilige Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Antragsteller mit der Maßgabe übertragen, das Wechselmodell mit wöchentlichem Wechsel zu praktizieren (Bl. 157 ff.). Eine Eilentscheidung sei wegen der starken emotionalen Belastung des Kindes geboten. Die Praktizierung des Wechselmodells sei zu forcieren, um dem autonom gebildeten Willen des Kindes zu entsprechen. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu diesem Zweck entspreche dem Kindeswohl am besten.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Eilbedürftigkeit der Entscheidung. Es bestehe kein Grund, die Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen. Zudem erfordere auch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Antrag eines Elternteils eine Kindeswohlgefährdung, die hier nicht gegeben sei. Schließlich könne das Wechselmodell nicht gerichtlich durchgesetzt werden, weil es vom Gesetz nicht vorgesehen sei.
Das Jugendamt...