Leitsatz (amtlich)

Im Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO kann der Hinweis der Partei auf Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation als Abänderungsantrag zu deuten sein. Jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein Zahlungsrückstand von nicht mehr als drei Monaten eingetreten ist, kommt eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nicht in Betracht.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 30.06.2005; Aktenzeichen 6 F 683/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das AG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 4 ZPO mit der Begründung aufgehoben, die Antragstellerin sei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand gewesen.

Durch Beschluss vom 5.11.2004 ist der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden, wobei monatliche Raten von 115 EUR, beginnend ab 1.12.2004, festgesetzt worden sind. Noch unter dem 5.11.2004 ist die Antragstellerin unter Angabe der Bankverbindung des AG zur Zahlung der monatlichen Raten aufgefordert worden. Zahlungen sind jedoch nicht erfolgt. Ein Rückstand von mehr als drei Monaten ist daher festzustellen.

Allerdings hat die Antragstellerin erstmals unter dem 26.4.2005 mitgeteilt, zur Ratenzahlung nicht in der Lage zu sein und dabei auf ihre Arbeitslosigkeit seit dem 1.3.2005 verwiesen. Alsdann hat sie eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 17.5.2005 und später nochmals eine vom 18.6.2005 vorgelegt. Im Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO kann ein Hinweis der Partei auf die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage als Abänderungsantrag gem. § 120 Abs. 4 ZPO zu deuten sein (OLG Brandenburg v. 27.3.2000 - 10 WF 35/99, OLGReport Brandenburg 2001, 253; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 124 Rz. 19a; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 299). Ein solches Begehren kann der Aufhebung der Prozesskostenhilfe aber nur dann entgegengehalten werden, wenn die Zahlungsverzögerung auf eine Verschlechterung der Einkommensverhältnisse des Bedürftigen zurückzuführen ist. Hat die Partei hingegen die Raten schon zu einer Zeit nicht gezahlt, als sie noch leistungsfähig war, bleibt es bei der Anwendung des § 124 Nr. 4 ZPO auch dann, wenn sie danach leistungsunfähig wird (FamVerf/Gutjahr § 1 Rz. 299; Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 850). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vorliegend nicht aufgehoben werden.

Das Einkommen der Antragstellerin infolge ihrer Arbeitslosigkeit hat sich allerdings erst seit dem 1.3.2005 verringert. Die bis dahin aufgelaufenen Raten hätte sie somit zahlen können. Fällig waren bis zum Beginn der Arbeitslosigkeit aber erst drei Raten, nämlich diejenigen für Dezember 2004 sowie Januar und Februar 2005. Zum Zeitpunkt der Einkommensverringerung war die Antragstellerin somit nicht länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand. Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung kommt daher nicht in Betracht.

Das AG wird nun nach § 120 Abs. 4 ZPO prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Abänderung der Prozesskostenhilfebewilligung vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1566706

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