Verfahrensgang
AG Oranienburg (Entscheidung vom 24.06.2008; Aktenzeichen 13a OWi 618/07) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 24. Juni 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Oranienburg hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 24. Juni 2008 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 60,00 EUR festgesetzt. Die Bußgeldrichterin hat das nicht mit Gründen versehene Urteil zu den Akten gebracht und die förmliche Zustellung an den Verteidiger des Betroffenen verfügt; das Urteil wurde am 30. Juni 2008 zugestellt. Mit Anwaltschriftsatz vom 1. Juli 2008, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Mit Verfügung vom 7. Juli 2008 vermerkt die Bußgeldrichterin:
"Eine nachträgliche Begründung des versehentlich durch die Unterzeichnerin zugestellten Urteils ist nach h.M. nicht möglich". Gegen dieses abgekürzte Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
II.
a)
Die Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 80 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden.
b)
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg; es liegen keine Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor.
Allein die Tatsache, dass das Amtsgericht von einer Begründung des Urteils abgesehen hat, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG nicht vorliegen, führt noch nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde; erforderlich ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 OWiG (grundlegend BGHSt 42, 187,189 ff. = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; ebenso OLG Celle NdsRpfl. 1997, 52; OLG Köln NZV 1997, S 371; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 77b Rdnr. 8, § 80 Rdnr. 12, 13).
Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, dass bei Fehlen der Urteilsgründe die Rechtsbeschwerde stets zuzulassen sei, beruht auf der fehlerhaften Annahme, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG nur an Hand der Urteilsgründe überprüft werden könnten. Damit aber würden sachlich-rechtliche Rechtsbeschwerdegrundsätze auf das Zulassungsverfahren ausgedehnt, ohne dass dies zwingend ist. Die bei Nichtvorliegen von Urteilsgründen lediglich nicht ausschließbare Möglichkeit, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten sein kann, ersetzt nicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG. Hierzu hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass selbst in den Fällen, in denen die Sachrüge erhoben ist, die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde häufig ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden können. Die gelte insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufzeigen und bei denen nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden kann, dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 OWiG vorliegen. Zur Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist es möglich, den Bußgeldbescheid (vgl. dazu auch BGHSt 23, 336; BGHSt 23, 365; BGHSt 27, 271), den Zulassungsantrag, nachgeschobene Urteilsgründe oder dienstliche Äußerungen heranzuziehen; sonstigen Umstände können selbst bei Vorliegen von Urteilsgründe berücksichtigt werden, wenn beispielsweise zu erwägen ist, ob ein rechtsfehlerhaftes Urteil sich als bloße Fehlentscheidung im Einzelfall darstellt (BGHSt 42, 187,189). All dies folgt schon daraus, dass es sich bei dem Zulassungsverfahren um ein Vorschaltverfahren handelt (vgl. Senge in KK-OWiG, 3. Aufl., § 80 Rdnr. 5), bei dem ermittelt wird, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchzuführen ist.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Fehlen von Urteilsgründen ist auch nicht aus Gründen der Verfassung (Rechtsstaatsprinzip, Gewährung rechtlichen Gehörs) geboten. Denn durch den Verfahrensverstoß ist der Betroffene nicht gehindert, die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu beantragen und Umstände vorzutragen, die zu einer Zulassung führen können (BGHSt a.a.O.., 190 f.). Da zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde einer einheitlichen und sachgerechten Rechtsprechung und nicht in erster Linie der Entscheidung des Einzelfalls dient, ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, allein aus dem Umstand, dass Urteilsgründe fehlen, eine Zulassungsgrund herzuleiten.
Dies heißt freilich nicht, dass das Fehlen von Urteilsgründen im Einzelfall nicht zur Begründetheit des Zulassungsantrags führen kann. Bei tatsächlich und rechtlich schwierigen Ordnungswidrigkeitsverfahren mag dies in Einzelfällen anders liegen. Kann ohne Kenntnis der Urteilsgründe nicht ohne weiteres beurteilt werden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen, und können solche Zweifel weder durch das abgekürzte Urteil,...