Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 28.08.2020)

 

Tenor

Auf die (sofortige) Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der Kammer für Rehabilitierungsverfahren des Landgerichts Potsdam vom 28. August 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die notwendigen Auslagen der Betroffenen im Beschwerdeverfahren, an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Betroffene beantragt die strafrechtliche Rehabilitierung für seine Unterbringung im Jugendwerkhof ... der ehemaligen DDR im Zeitraum vom 19. Juli 1973 bis zum 5. Juni 1974. Grundlage dieser Unterbringung ist der Beschluss des Rates der Stadt Potsdam - Jugendhilfeausschuss - vom 24. Mai 1973.

Durch Beschluss vom 14. November 2005 (rechtskräftig seit dem 13. Januar 2006) hatte das Landgericht Potsdam den mit Schreiben vom 24. Februar 2005 gestellten Rehabilitierungsantrag zurückgewiesen. Der Betroffene hat nunmehr durch Schreiben vom 20. Dezember 2018 auf Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens angetragen und als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht, dass im Zeitraum nach 2010 zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Spezialheimen der DDR-Jugendhilfe veröffentlicht worden seien, beispielsweise "Der letzte Schliff" von Christian Sachse aus dem Jahr 2011 oder die Expertisen zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR aus dem Jahr 2012, die dem Landgericht bei seiner damaligen Entscheidung nicht vorlagen. Mit Schreiben vom 10. Juni 2020 hat der Betroffene zu den diesbezüglichen Erkenntnissen und den Bedingungen der Unterbringung im Einzelnen Näheres ausgeführt und die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die disziplinierenden "Torturen" und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnis hierzu ein grobes Missverhältnis zum Anlass der Einweisung bestehe.

Das Landgericht Potsdam hat den "weitergehenden Rehabilitierungsantrag" durch Beschluss vom 28. August 2020 "zurückgewiesen", weil er unzulässig sei. Ein Wiederaufnahmeantrag könne entsprechend § 366 Abs. 2 StPO nur mittels einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Daran fehle es, so dass der Antrag schon deshalb zu verwerfen sei. Im Übrigen habe der Betroffene auch keinen Wiederaufnahmegrund dargelegt. Welche Erkenntnisse sich aus den in Bezug genommenen "wissenschaftlichen Veröffentlichungen" ergeben sollen, sei nicht angeführt. Die damalige Entscheidung des Landgerichts beruhe ersichtlich auch nicht darauf, dass die Kammer die Verhältnisse in den Jugendwerkhöfen der DDR verkannt habe, denn nicht diese Verhältnisse, sondern die für die Einweisung gegebenen Gründe seien Grundlage der Entscheidung gewesen, bei der der Betroffene im Übrigen seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt habe. Auch als Zweitantrag unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG sei der Antrag unzulässig.

"Nur vorsorglich" hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Rehabilitierungsantrag auch im Falle seiner Zulässigkeit kein Erfolg gehabt hätte. Die Vermutung des § 10 Abs. 3 Satz 1 StrRehaG sei widerlegt, weil sachliche Gründe für die Unterbringung vorlägen. Wie bereits im Beschluss vom 30. November 2005 ausgeführt, habe "Handlungsbedarf" bestanden. Aufgrund "der festgestellten Probleme in der Schule" habe die Berufsvorbereitung gedroht zu scheitern. Das Ziel der 10. Klasse habe der Betroffene bereits verfehlt. Angesichts seines Alters sei eine Unterbringung in einem Kinderheim nicht mehr in Betracht gekommen. Die Unterbringung im Jugendwerkhof habe einen "überschaubaren Zeitraum" ausgemacht und geendet, als das Ziel der Maßnahme, der Abschluss der 10. Klasse, erreicht gewesen sei. Dass der Betroffene selbst entwürdigende Strafen oder andere Eingriffe erlitten habe, sei nicht ersichtlich.

Gegen diesen, ihm am 2. September 2020 zugestellten Beschluss hat der Betroffene am 7. September 2020 Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Betroffenen hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung.

1. Das Rechtsmittel ist gemäß § 15 StrRehaG, § 372 Satz 1 StPO als (sofortige) Beschwerde statthaft, die innerhalb der Wochenfrist entsprechend § 311 Abs. 2 StPO angebracht worden ist. Insoweit kann offenbleiben, ob demgegenüber die für die Beschwerde geltende Rechtsmittelfrist gemäß § 13 Abs. 1 StrRehaG maßgeblich ist oder diese im Hinblick auf den Wortlaut der gesetzlichen Regelung nur für Entscheidungen nach § 12 StrRehaG bzw. § 25 Abs. 1 Satz 4, §§ 16ff. StrRehaG gilt und im Wiederaufnahmeverfahren die entsprechend § 15 StrRehaG heranzuziehen Regelungen der Strafprozessordnung anzuwenden sind (vgl. hierzu OLG Rostock, Beschl. v. 5. März 2018 - 22 Ws Reha 1/18, zit. nach Juris).

2. Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Antrag auf Wiederaufnahme zu Unrecht als unzulässig abgelehnt hat.

a) Der Wiederaufnahmeantrag ist entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht deshalb unzulässig, weil er nicht von einem R...

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