Leitsatz (amtlich)
Gerichtsstand: Gerichtsstandsbestimmung bei Klage gegen einen Streitgenossen mit ausschließlichem anderweitigen Gerichtsstand und allgemeinem Gerichtsstand der Streitgenossen bei verschiedenen Gerichten.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 59-60, 12-13, 29c Abs. 1 S. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 1; BGB § 840 Abs. 1, § 830 Abs. 1, § 421
Verfahrensgang
Tenor
Gemeinsam zuständig ist das LG Braunschweig.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten mit ihrer bei dem LG Potsdam eingereichten Klage als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen einer Kapitalbeteiligung an der M. AG & Co. KG in Anspruch, die ihr die Beklagte zu 1) vermittelte. Der Beklagte zu 2) war zum Erwerbszeitpunkt alleiniger Vorstand der "D. AG", die wiederum alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und als Komplementärin persönlich haftende Gesellschafterin der streitgegenständlichen Fondsgesellschaft mit Sitz in B ... war. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf Ansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten und auf den Vorwurf fehlerhafter, unzureichender bzw. irreführender Angaben im Verkaufsprospekt.
Nachdem der Beklagte zu 2) die Zuständigkeit des LG Potsdam gerügt hatte, da für die Klage gegen den Beklagten zu 2) das LG Braunschweig ausschließlich zuständig sei, und angeregt hatte, dieses Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen, hat die Klägerin dies hilfsweise für den Fall beantragt, dass sich das LG Potsdam für unzuständig halten sollte. Mit Beschluss vom 2.2.2011 hat das LG die Sache hierauf dem OLG Brandenburg vorgelegt. Die Beklagte zu 1) hat daraufhin einer Bestimmung des LG Braunschweig widersprochen, die Klägerin hat sich der diesbezüglichen Anregung des Beklagten zu 2) angeschlossen.
II.1. Das Brandenburgische OLG hat gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 ZPO über die Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts zu entscheiden, weil das zu seinem Bezirk gehörende LG Potsdam mit der Rechtssache bereits befasst ist.
2. Die Voraussetzungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Dass bereits Klage eingereicht ist, steht der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hier nicht entgegen, weil der anhängige Prozess noch nicht weit vorangeschritten und es insbesondere noch nicht zur Beweisaufnahme oder zum Erlass eines Sachurteils gekommen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 36 Rz. 16 m.w.N.).
b) Die Beklagten werden in einem gemeinsamen Prozess als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1, § 830 Abs. 1, § 421 BGB) in Anspruch genommen und folglich als einfache Streitgenossen verklagt (§§ 59, 60 ZPO). Unabhängig von ihrer Inanspruchnahme als Gesamtschuldner sind die Beklagten - jedenfalls - Streitgenossen i.S.v. § 60 ZPO. Das Kriterium der "Gleichartigkeit" i.S.v. § 60 ZPO ist unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit weit auszulegen; entscheidend ist, ob zwischen den geltend gemachten Ansprüchen ein innerer sachlicher Zusammenhang besteht (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 60 Rz. 7 m.w.N.). Ein solcher innerer sachlicher Zusammenhang ergibt sich hier aus dem gemeinsamen Bezug auf die Rückabwicklung der Kapitalbeteiligung der Klägerin.
c) Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) bei verschiedenen Gerichten, nämlich die Beklagte zu 1) bei dem LG Potsdam und der Beklagte zu 2) bei dem LG Berlin. Ob für die Klage gegen die Beklagten ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO beim LG Potsdam in Betracht käme, kann offen bleiben, da ein solcher Gerichtsstand gegenüber dem für die Klage gegen den Beklagten zu 2) geltenden ausschließlichen Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nachrangig wäre.
d) Für die Klage gegen den Beklagten zu 2) gilt gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO der ausschließliche Gerichtsstand bei dem LG Braunschweig, so dass die Klägerin gehindert ist, ihre Klage bei dem LG Potsdam zu erheben. Da die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte zu 1) - soweit ersichtlich - zulässigerweise nicht bei dem LG Braunschweig erheben kann, steht ihr für die Klage gegen die beiden Beklagten kein gemeinsamer Gerichtsstand zur Verfügung. Bei dieser Lage findet § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Anwendung (vgl. OLG Brandenburg, OLG-NL 2003, 117; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rz. 15).
§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO begründet - nur - für die Klage gegen den Beklagten zu 2) einen ausschließlichen Gerichtsstand bei dem LG Braunschweig, da - nur - der Beklagte zu 2) aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung in Anspruch genommen wird. Der BGH hat inzwischen klargestellt, dass die Gerichtsstandsregelung in § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sämtliche Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche wegen etwa fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformationen umfasst, unabhängig davon, ob die Prospekthaftung auf spezialgesetzlichen Regelungen beruht oder eine gesetzliche Prospektpflicht besteht; Voraussetzung ist lediglich, dass der Beklagte auf Schadensersatz wegen falscher, i...