Leitsatz (amtlich)
1. Eine vorübergehende Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen erfasse in der Regel ein Betrag von etwa 10 % über dem Volumen des eingeräumten Überziehungskredites; dieser beträgt in der Regel drei Nettomonatsgehälter oder das dreifache Monatseinkommen des Kontoinhabers.
2. Ist ein Überziehungskredit nicht vereinbart, ist anzunehmen, dass sich der bankübliche Umfang von Überziehungen auf 10 % des nach den Umständen möglichen Überziehungskredites beläuft (vgl. OLG Köln, Urteil vom 7.10.1998, OLG Köln v. 7.10.1998 - 5 U 88/99, WM 1999, 1003; OLG Köln v. 11.7.2001 - 13 U 252/00, WM 2001, 2340; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 493 Rz. 7).
3. Das fiktive Saldo-Anerkenntnis nach AGB einer Bank (Nr. 7 der klägerischen AGB) stellt keine rechtsgeschäftliche Genehmigung anderweitiger Verfügungen der Bank über die mitgeteilten Buchungen dar (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.1994 - XI ZR 194/93, NJW 1995, 320 m.w.N.).
4. Zu den Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht eines Kontobevollmächtigten.
5. Unterlässt es ein Kontoinhaber entgegen vertraglicher Verpflichtungen (Nr. 11 Abs. 4 der klägerischen AGB) die Kontoauszüge unverzüglich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben, so ist er für daraus entstehende Schäden dem Partner des Kontovertrages ersatzpflichtig (vgl. OLG Hamm v. 14.3.1986 - 20 U 290/85, NJW-RR 1986, 791; Pa-landt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 676 f. Rz. 16 m.w.N.).
6. Zum Mitverschulden der Bank wegen Missachtung von Beschränkungen des Kontobevollmächtigten.
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 01.02.2007; Aktenzeichen 8 O 441/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 8.2.2007 und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden sofortigen Beschwerde wird der Beschluss des LG Potsdam vom 1.2.2007 - 8 O 441/06 - in Gestalt des Nichtabhilfebechlusses vom 14.3.2007 teilweise abgeändert und der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt, soweit sie sich gegen eine Verurteilung in der Hauptsache von mehr als 5.162,68 EUR wendet.
In diesem Umfang wird ihr Rechtsanwalt ... beigeordnet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte erbittet Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen eine Klage, mit der sie die klagende Bank auf Ausgleich eines gekündigten Kontos in Anspruch nimmt.
Die Beklagte eröffnete gem. schriftlicher Vereinbarung vom 26.10.1999 bei der Klägerin ein Konto (vgl. Anlage K 1, Bl. 13 GA) und erteilte unter dem 27.10.1999 ihrem damaligen Lebensgefährten, den sie am 4.5.2001 heiratete und von dem sie am 4.12.2003 geschieden wurde (vgl. Anlage B 7, Bl. 69 GA), eine Kontovollmacht auf einem dafür vorgesehenen Formular der Klägerin. Die Vollmacht berechtigte den Bevollmächtigten von der Möglichkeit vorübergehender Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen Gebrauch zu machen.
In einer Selbstauskunft vom 21.10.1999 hatte die Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 DM angegeben (vgl. Anlage K 7, Bl. 51 GA). Das Konto wies am 15.11.1999 einen Soll-Stand von 4.872,46 DM auf (vgl. Anlage K 6, Bl. 148 GA) und entwickelte sich infolge der nächsten Buchung über eine Barabhebung von 700 DM sowie weiterer Lastbuchungen kontinuierlich in höhere Soll-Stände, so etwa durch eine Überweisung vom 27.12.1999 über 2.600 DM, eine Überweisung vom 31.1.2000 über 1.300 DM oder eine Überweisung vom 3.3.2000 über 3.100 DM.
Die Klägerin kündigte das Konto mit Schreiben vom 31.5.2002 bei einem Soll-Stand von 7.834,11 EUR (vgl. Anlage K 2, Bl. 15 GA).
Die Beklagte hat behauptet, alle Überweisungen gingen auf Kontoverfügungen des Bevollmächtigten zurück, die sie nicht gekannt habe und der ihr die Kontoauszüge verheimlicht habe, die ihr auch erst im Zuge des Scheidungsverfahrens zugänglich geworden seien.
Das LG hat mit Beschluss vom 1.2.2007 das Prozesskostenhilfegesuch abgelehnt. Die Klägerin habe aufgrund wirksamer Vollmachtserteilung davon ausgehen können, dass der Bevollmächtigte für die Beklagte handele, die ihr ggü. zudem verpflichtet gewesen sei, tatsächlich nicht genehmigte Überziehungen zu verhindern.
Die sofortige Beschwerde vom 7.2.2007 hat das LG zeitgleich mit einem der Klage stattgebenden Urteil vom 14.3.2007 durch Nichtabhilfebeschluss dem OLG vorgelegt.
II. Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten ist ggü. dem aus den §§ 355 HGB; 781 BGB schlüssigen Klägervortrag im Umfang von 2.671,43 EUR erheblich.
1. Die Beklagte kann nach ihrem beweisbewehrten Vorbringen das Anerkenntnis über 7.834,11 EUR im Umfang von 5.342,86 EUR kondizieren.
a) Das nach Nr. 7 der klägerischen AGB fingierte Saldo-Anerkenntnis auf den 28.3.2002 kann unter den Voraussetzungen der §§ 812 ff. BGB zurückgefordert werden (BGH, Urt. v. 24.4.1995 - I ZR 176/83, NJW 1985, 3010 m.w.N.). Die danach erforderlichen Kondiktionsvoraussetzungen liegen vor, denn nach dem schlüssigen Beklagtenvorbringen berechnete die Kläge...