Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 02.09.2002; Aktenzeichen 14 Ns 114/01) |
AG Perleberg (Aktenzeichen 22 Ds 32/01) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 2. September 2002 aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Neuruppin am 1. Februar 2002 gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde am 10. Mai 2001 durch das Amtsgericht wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem der Angeklagte hiergegen rechtzeitig Berufung eingelegt hatte, verzog er von seiner in Deutschland befindlichen Wohnanschrift und meldete sich nach "O 22, W " in den Niederlanden ab. Zur Berufungshauptverhandlung am 1. Februar 2002 sollte der Angeklagte per Einschreiben mit Rückschein geladen werden. Das Ladungsschreiben, das an den Angeklagten am 17. Dezember 2001 abgesandt wurde, gelangte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 15. Januar 2002 ohne Rückschein mit dem Vermerk "nicht abgeholt" wieder zu den Gerichtsakten. Auf dem Umschlag des Ladungsschreibens befindet sich ein Aufkleber der niederländischen Post mit dem Vermerk "Kennisgeving achtergelaten" und dem Datum 21.12.02. Das Landgericht sah diese Form der Ladung des Angeklagten als ordnungsgemäß an und verwarf seine Berufung, nachdem der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung am 1. Februar 2002 nicht erschienen war.
Dieses Urteil sollte dem Angeklagten ebenfalls per Einschreiben mit Rückschein in die Niederlande zugestellt werden. Zwei Sendungen dieses Inhalts an den Angeklagten gelangten jeweils mit dem Vermerk "nicht abgeholt" und ohne Rückschein vor dem 15. April, bzw. vor dem 8. Mai 2002 wieder zu den Gerichtsakten, wobei sich auf beiden Briefumschlägen die vorgenannten Aufkleber der niederländischen Post mit dem Vermerk "Kennisgeving achtergelaten" und den Daten 26.02.02, bzw. 03.04.02 befinden.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2002 hat der Angeklagte, der sich nunmehr wieder in Deutschland aufhält, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat vorgetragen, er habe den Termin zur Hauptverhandlung nicht wahrnehmen können, weil ihm keinerlei Ladungsschreiben vorgelegen hätten. Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 2. September 2002 als unzulässig verworfen, weil der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung am 1. Februar 2002 unter seiner damaligen Anschrift ordnungsgemäß geladen worden sei. Das Verwerfungsurteil sei ihm am 3. April 2002 ebenfalls durch Niederlegung zugestellt worden. Der Angeklagte habe keine Umstände dargelegt oder glaubhaft gemacht, die nahelegen könnten, dass er von den Niederlegungen keine Kenntnis erlangt habe. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung als unzulässig verworfen.
Das Landgericht hat übersehen, dass sowohl die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung als auch die nachfolgenden Zustellungen des Verwerfungsurteils unwirksam waren. Aus diesem Grund ist der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig - denn die Wochenfrist des § 329 Abs. 3 StPO für die Stellung dieses Antrages ist mangels wirksamer Zustellung des Verwerfungsurteils noch gar nicht in Lauf gesetzt worden - und auch begründet.
Nach § 37 Abs. 2 StPO kann eine Zustellung im Ausland auch durch Einschreiben mit Rückschein bewirkt werden, soweit auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen. Diese Voraussetzungen lagen nach Artikel 52 Abs. 1 SDÜ sowohl für die Ladung zur Berufungshauptverhandlung als auch für die Zustellung des Verwerfungsurteils vor, denn beide vorgenannten Sendungen gehören zur Liste derjenigen Zustellungen, die nach der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zu Artikel 52 Abs. 1 SDÜ in die anderen Vertragspartnerländer mit der Post übersandt werden dürfen (vgl. H) Nr. 3. bzgl. der Ladung zur Berufungshauptverhandlung sowie H) Nr. 4 bzgl. der Mitteilung des Verwerfungsurteils in der vorgenannten Liste).
Eine wirksame Zustellung nach § 37 Abs. 2 StPO setzt jedoch voraus, dass der vom Empfänger unterschriebene Rückschein zu den Gerichtsakten gelangt. Bei dieser Form der Zustellung ist der Rückschein der Nachweis über den tatsächlichen Erhalt der zugestellten Sendung, weil er ein schriftliches Empfangsbekenntnis des Empfängers hierüber enthält. Dies war hier gerade nicht der Fall. Im ...