Entscheidungsstichwort (Thema)

Alleinige elterliche Sorge für kooperationsunwillige Kindesmutter

 

Leitsatz (redaktionell)

Die bloße Pflicht der Eltern zur Konsensfindung vermag eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Nicht schon das Bestehen der Verpflichtung allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität nicht verordnen lässt.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 22.04.2009; Aktenzeichen 51 F 310/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Cottbus vom 22.4.2009 - Az. 51 F 310/06 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das gemeinsame elterliche Sorgerecht für das Kind J.B. wird aufgehoben und auf die Kindesmutter allein übertragen.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der am ... August 1998 geborenen J. B. Die Kindeseltern lebten seit Oktober 2005 getrennt; J. verblieb - einvernehmlich und insoweit bis heute unumstritten - im Haushalt der Kindesmutter. Am 5.10.2006 hat der Kindesvater das Scheidungsverfahren eingeleitet und dabei die Fortsetzung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts angestrebt. Mit eigenem Antrag vom 12.10.2006 hat die Kindesmutter allerdings auf Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich angetragen.

Am 29.10.2005 hat es eine - im Einzelnen streitige - Auseinandersetzung zwischen den Kindeseltern in Anwesenheit der Tochter gegeben. Die Kindesmutter behauptet, vom Kindesvater geschlagen worden zu sein. In der Folgezeit hat die Kindesmutter jegliche Kommunikation und Kooperation mit dem Kindesvater in Belangen der Tochter strikt abgelehnt. Sie hat im Übrigen behauptet, der Kindesvater habe gar kein echtes Interesse an seiner Tochter.

Der Kindesvater hat stets betont, zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit der Kindesmutter in Angelegenheiten der elterlichen Sorge für die gemeinsame Tochter bereit zu sein. Er hat bestritten, dass objektiv nachvollziehbare Gründe für die ablehnende Haltung der Kindesmutter vorhanden seien. Er hat behauptet, die Kindesmutter beeinflusse J. gegen ihn und wirke etwa auch regelmäßigen Umgangskontakten entgegen.

Unstreitig gab und gibt es seit Jahren zwischen den Eltern tatsächlich wegen der ablehnenden Haltung der Kindesmutter keinerlei Verständigung bezüglich der Belange des Kindes. Die Kindesmutter hält selbst Mediationsversuche für sinnlos. Die wenigen Kommunikationsversuche enden regelmäßig in - teils heftigen - verbalen Auseinandersetzungen.

In den Vordergrund der Auseinandersetzungen trat im Laufe des Verfahrens zeitweise der Streit um das Umgangsrecht, der auch die Stellungnahmen der Verfahrenspflegerin (vom 22.4.2008, Bl. 93 ff. Scheidungsakte, und vom 11.2.2009, Bl. 108 ff. d.A.) und die Kindesanhörung am 23.4.2008 (Bl. 104 Scheidungsakte) prägte.

Im Termin am 25.4.2008 wurden sodann die Folgesachen Umgang und Sorgerecht aus dem Scheidungsverbund abgetrennt (Bl. 105 f. der Scheidungsakte). Mit Urteil vom 25.4.2008 wurde die Ehe der Kindeseltern geschieden (Bl. 112 ff. Scheidungsakte). Mit Beschlüssen vom selben Tage wurde ein Umgangspfleger eingesetzt (RA L. in C.) und die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens angeordnet (Bl. 119 und 122 f. Scheidungsakte).

In seinem Gutachten vom 17.11.2008 (Bl. 30 ff. d.A.) ist der Diplom-Psychologe Dr. R. wegen erheblicher Beeinträchtigung der Kooperationsfähigkeit zu der Empfehlung gelangt, "die elterliche Sorge für J. bis auf weiteres nicht gemeinsam auszuüben" (Bl. 81. d.A.); selbst eine Mediation zwischen den Elternteilen erschien dem Sachverständige "zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig sinnvoll" (Bl. 82. d.A.).

Der Kindesvater ist dieser Einschätzung entgegengetreten und hat gemeint, bloße Kommunikationsschwierigkeiten seien kein hinreichender Grund für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Er verweist ergänzend auf den wiederholten Wunsch des Kindes nach einer verbesserten Beziehung zwischen ihren Eltern. Der Vater hat weiter darauf verwiesen, dass die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge deshalb für ihn so wichtig sei, weil er dann "einspringen" könne, wenn der Mutter etwas zustoße.

Das Jugendamt hat sich unter dem Eindruck der augenscheinlich unlösbaren Spannungen in der Elternbeziehung mit Stellungnahme vom 13.3.2009 der Empfehlung des Gutachters angeschlossen.

Die Kindesmutter hat sich die Empfehlung des Sachverständigen, die dieser im Anhörungstermin vor dem AG am 1.4.2009 wegen der starren Haltung der Kindesmutter zwar als Notlösung bezeichnet, daran im Ergebnis aber festgehalten hat, zu eigen gemacht.

Das AG hat schließlich mit Beschluss vom 22.4.2009 den Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts zurückgewiesen. Die Kindesmutter habe keine tragfähigen Gründe für ihre fehlende Kooperationsbereitschaft anführen können. Tatsächlic...

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