Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgang: Verfahrensbeendigung bei entfallenem Regelungsbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
1. Den Umgangsberechtigten trifft für die Gewährung einer Umgangsbegleitung eine Mitwirkungsobliegenheit, denn Leistungen der Jugendhilfe setzen grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29/99 -, BVerwGE 112, 98-106).
2. Die regelmäßig gebotene gerichtliche Bestimmung des Umgangs (vgl. BGH FamRZ 1994, 158) kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn der Umgangsberechtigte nicht in Unkenntnis über die Voraussetzungen eines ihm offenstehenden Umgangs verbleibt und Gründe für einen künftigen Ausschluss des Umgangsrechts nicht vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2005 - XII ZB 120/04 -, Rn. 15, juris).
3. Zum Ausschluss künftiger Umgänge nach überraschendem Abbruch langjähriger Kontakte.
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 71/19) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 29.01.2020 wird aufgehoben.
Eine Regelung des Umgangs zwischen dem Antragsteller und seinen eingangs genannten Kindern findet nicht statt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR
Der Antrag des Antragstellers auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
1. Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung eines 14-tägigen Wochenendumganges mit seinen 10jährigen Zwillingstöchtern aus seiner Ehe mit der Antragsgegnerin.
Die Eheleute trennten sich im November 2018 und die Kommunikation zwischen ihnen ist seither hochstreitig. Nachdem sie die Töchter zunächst im Nestmodel mit einem Betreuungsanteil der Mutter von 10 und des Vaters von 4 Tagen betreuten, leitete der Antragsteller das Verfahren ein, um seinen Umgang auf paritätische Anteile zu erweitern. Im Verfahrensverlauf entwickelten seine damalige Verfahrensbevollmächtigte und die der Mutter im Wesentlichen übereinstimmende Vorschläge zu einem 14-tägigen Umgangsturnus. Nach Handgreiflichkeiten zwischen seiner Lebensgefährtin und der Antragsgegnerin bei einer Umgangsübergabe am 03.08.2019 ließ er sein Umgangsregelungsbedürfnis vorübergehend fallen.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht auf weitgehend - mit Ausnahme der Frage der Abholung - übereinstimmende Anträge der Eltern und des Verfahrensbeistands einen 14-tägigen Wochenendumgang des Antragstellers mit seinen Töchtern angeordnet.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt der Vater unter Hinweis darauf, den beschlossenen Umgang keinesfalls umzusetzen, einen Umgangsausschluss, hilfsweise einen begleiteten Umgang. Er habe nachträglich erfahren, dass seine Kinder ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung zu dem Vorfall vom 03.08.2019 eine Aussage vor der Polizei abgegeben hätten, in der sie eine Falschdarstellung der Mutter übernommen und seine Lebensgefährtin belastet hätten. Dies habe die Bereitschaft seiner Lebensgefährtin, die Kinder für den Wochenendumgang in ihrer, dem Antragsteller insoweit einzig zu Verfügung stehenden Wohnung, aufzunehmen, entfallen lassen. Zudem begründe dies die Besorgnis, die Mutter instrumentalisiere die Kinder gegen ihn und seine Lebensgefährtin in Schädigungsabsicht, sodass zu seinem Selbstschutz ein Umgang in seinem Umfeld auszuscheiden habe. Einem Wochenendumgang stehe überdies seine inzwischen eingegangene Nebentätigkeit entgegen.
Das Jugendamt befürwortet nach Rücksprache mit der Mutter einen begleiteten Umgang; Verfahrensbeistand und Mutter berichten von Verunsicherungen der Mädchen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug und seinen Hinweis vom 20.05.2020 (320). Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Berichte und Schreiben des Jugendamtes und des Verfahrensbeistands vermitteln mit den ausführlichen Terminsprotokollen des Amtsgerichts ein ausreichend verlässliches und vollständiges Bild der Beteiligten; es ist nicht ersichtlich, welche weiteren und besseren Erkenntnisse der Senat durch eine eigene Anhörung gewinnen könnte.
2. Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
Der Beschluss des Amtsgerichts vom 29.01.2020 ist aufzuheben, da vorliegend unbegleiteter Umgang ausscheidet (§ 1684 Abs. 4 BGB), wovon im Ergebnis beide Eltern, alle professionell am Verfahren Beteiligte und mit ihnen der Senat ausgeht. Die Eltern befinden sich in einem hocheskalierten Streit, der sich auf der Sachebene auf eine wachsende Zahl klärungsbedürftiger Angelegenheiten erstreckt, seit längerem einhergeht mit einer zunehmenden Zahl an elterlich initiierten Ermittlungs- und Strafverfahren und auf der Beziehungsebene gekennzeichnet ist durch ein...