Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerecht: Entzug des Sorgerechts wegen massiver Probleme in der Versorgung und Förderung nicht altersgerecht entwickelter Kinder trotz Zustimmung der Eltern zur Unterbringung der Kinder
Leitsatz (amtlich)
Trotz momentaner Zustimmung von Kindeseltern zur Unterbringung von Kindern in Einrichtungen, kann die Entziehung des Sorgerechts angezeigt sein, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass mit etwas Abstand zu dem Anhörungstermin insoweit Reue aufkommt und die - das Kindeswohl ganz klar gefährdende - Rückführung der Kinder begehrt werden könnte.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a; ZPO § 520 Abs. 2 S. 1, § 621e Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Lübben (Beschluss vom 02.06.2008; Aktenzeichen 30 F 61/07) |
Tenor
Die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des AG Lübben vom 2.6.2008 - Az. 30 F 61/07 - wird zurückgewiesen.
Die befristete Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des AG Lübben vom 2.6.2008 - Az. 30 F 61/07 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin zu 1., die weitere fünf inzwischen volljährige Kinder aus zwei früheren Ehen hat, ist die allein sorgeberechtigte Kindesmutter des am ... 1992 geborenen Ch. H.. Gemeinsam mit dem Beteiligten zu 2. übt sie ferner das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder T. W., geboren am ... 1996, K. W., geboren am ... 2000, B. W., geboren am ... 2002, J. W., geboren am ... 2004, und S. W., geboren ... 2006, aus.
Die Familie zog im Jahre 2001 von Z. nach P. Sie lebt von sozialen Transferleistungen und wandte sich - in der Person der Kindesmutter - erstmals im Februar 2002 wegen erheblicher finanzieller Probleme an das Jugendamt. Neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten traten im Zuge der dann gewährten Familienhilfe bereits seinerzeit nicht unerhebliche Erziehungs- und Betreuungsschwierigkeiten der Kindeseltern zutage. Nachdem die familiäre Situation gefestigt erschien, wurde die Familienhilfe im August 2005 zunächst eingestellt. Im Zuge erheblicher Auffälligkeiten der Kinder in der Schule, insbesondere durch wiederholtes Fernbleiben vom Unterricht ohne (rechtzeitige) Entschuldigung geriet die Familie wieder in den Blick des Jugendamtes, das auf Antrag der Kindesmutter vom 8.5.2006 für ihre seinerzeit noch neun minderjährigen Kinder erneut eine (ambulante) sozialpädagogische Familienhilfe eingerichtet hat. Es wurden bei den Kindern insbesondere logopädische und ergotherapeutische Maßnahmen ergriffen sowie Frühförderung eingerichtet.
Mit Schreiben vom 16.2.2007 hat das Jugendamt das Familiengericht mit dem Ziel der Entziehung des Sorgerechts für die damals acht jüngsten Kinder angerufen, weil es der Ansicht war, dass den massiven Probleme in der Versorgung und Förderung der alle nicht altersgerecht entwickelten Kinder mit ambulanten Hilfsmaßnahmen nicht mehr wirksam begegnet werden könne.
Dem ist die Kindesmutter entgegengetreten. Sie hat betont, dass sie selbst um Hilfe nachgesucht und diese gern angenommen habe. Die Schulbummelei der Kinder habe keineswegs die vom Jugendamt behaupteten Ausmaße angenommen und sei jedenfalls nicht von ihr unterstützt worden.
Das AG Lübben hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern, einer etwaigen Kindeswohlgefährdung und den ggf. erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung einer eventuell festgestellten Gefährdung der Kinder mit Beschluss vom 2.6.2008 das der Kindesmutter allein bzw. gemeinsam mit dem Beteiligten zu 2. zustehende Sorgerecht für die im Rubrum genannten Kinder entzogen und auf das Jugendamt übertragen, das als Vormund bestellt wurde. Alle Kinder seien deutlich nicht altersgerecht entwickelt, verhaltensauffällig, emotional, sprachlich, motorisch und in ihrem Bindungsverhalten gestört. Bei allen bestehe ein massiver Förderbedarf in sämtlichen entwicklungsspezifischen Bereichen, den die Kindeseltern nicht wahrnähmen, sondern verharmlosten. Jede Eigenverantwortung für diese Defizite werde von den Kindeseltern, die sich darauf zurückzögen, anderen die Schuld zuzuweisen, abgelehnt. Für die dringend notwendige Veränderung in ihrem Verhalten fehle es an der erforderlichen Bereitschaft der Eltern, so dass zur Abwendung einer weiteren Kindeswohlgefährdung nur noch der Entzug des Sorgerechts in Betracht komme.
Gegen diesen ihr am 2.6.2008 zugestellten Beschluss hat die Kindesmutter mit einem am selben Tage bei dem OLG Brandenburg eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 24.7.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie erstrebt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und meint unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Sachverständigen in deren schriftlichem Gutachten, dass die Möglichkeiten für Hilfsmaßnahmen noch nicht ausgeschöpft seien und deshalb die Schwelle zum vollständigen Entzug des elterlichen Sorgerech...