Leitsatz (amtlich)

Die Billigung (§ 156 II FamFG) bedarf als hoheitlich errichtete Vollstreckungsgrundlage der Amtszustellung.

Die den Schuldner schützende Wirkung der Zustellung eines gerichtlichen Vergleichs hat auch die - wenn auch überobligatorische - Zustellung im Amtsbetrieb. Einer Zustellung auf Betreiben des Gläubigers bedarf es daneben nicht.

 

Normenkette

FamFG § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 95 Nr. 4, § 156 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Beschluss vom 27.10.2016; Aktenzeichen 20 F 31/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des AG Nauen vom 27.10.2016 aufgehoben.

 

Gründe

Die Beschwerde der Schuldnerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, damit das AG über die Bedürftigkeit der Schuldnerin selbständig und unter Wahrung des Instanzenzuges entscheiden kann.

Auf fehlende Erfolgsaussicht (§§ 76 I FamFG, 114 I 1 ZPO) kann die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe derzeit nicht gestützt werden.

Die Schuldnerin wendet sich gegen den Beginn der Vollstreckung aus einem vor dem AG Nauen mit dem Gläubiger geschlossenen gerichtlich gebilligten Vergleich, mit dem die Beteiligten den Umgang mit einem gemeinsamen Kind geregelt haben (Bl. 91 HA). Der Gläubiger hat die Erteilung des Hinweises auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel (§ 89 II FamFG) und die Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragt (Schriftsatz vom 1.7.2016, Bl. 96 ff. HA). Den Hinweis hat das AG mit einem Beschluss vom 29.7.2016 erteilt (Bl. 140 f. HA). Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln hat es noch nicht entschieden.

Einwendungen der Schuldnerin im Vollstreckungsverfahren haben derzeit beste Erfolgsaussichten, weil der Vollstreckungsantrag unzulässig ist.

Soll aus einem gebilligten (§ 156 II FamFG) Umgangsvergleich vollstreckt werden, bedarf es des Hinweises auf die Folgen der Zuwiderhandlung (§ 89 II FamFG). Dieser Hinweis ist eine hoheitliche, die Vollstreckung vorbereitende Maßnahme. Die Beteiligten können den Hinweis deshalb nicht in ihren Vergleichstext aufnehmen, sondern das Gericht hat ihn an die Billigung anzuschließen oder den Beteiligten gesondert zuzustellen. Ob der Hinweis zum Erkenntnisverfahren gehört (Zöller-Feskorn, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 89 FamFG Rdnr. 8; Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 5. Aufl. 2015, § 89 Rdnr. 6 f.) oder - wie die Androhung nach § 890 II ZPO - zum Vollstreckungsverfahren (Zöller-Stöber, § 890 Rdnr. 12a), braucht hier nicht entschieden zu werden. Sollte der Hinweis Vollstreckungsmaßnahme sein, so müssten zuvor alle allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein (Zöller-Stöber, a.a.O.). Sollte er dem Erkenntnisverfahren zuzuordnen sein, so wendet sich die Schuldnerin doch jedenfalls auch bereits gegen den Antrag des Gläubigers, gegen sie Ordnungsmittel festzusetzen, und dies bedarf ebenfalls der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen.

Es fehlt eine allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung, nämlich die Zustellung des aufgenommenen Protokolls und der gerichtlichen Billigung an die Schuldnerin (§§ 87 II, 95 I Nr. 3, 4 FamFG, 795 S. 1, 750 I ZPO).

Die Billigung (§ 156 II FamFG) bedarf als hoheitlich errichtete Vollstreckungsgrundlage der Amtszustellung (Prütting/Helms-Hammer, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 87 Rdnr. 8, § 156 Rdnr. 69; MüKo-FamFG-Schumann, 2. Aufl. 2013, § 156 Rdnr. 28).

Die Ansicht, der Vergleich als ein nicht vom Gericht, sondern von den Beteiligten errichteter Titel müsse auf Betreiben des Gläubigers zugestellt werden (MüKo-ZPO-Heßler, 5. Aufl. 2016, § 750 Rdnr. 66; Musielak/Voit-Lackmann, 13. Aufl. 2016, § 750 Rdnr. 18; Wieczorek/Schütze-Paulus, ZPO, 3. Aufl. 1999, § 795 Rdnr. 13; Zöller-Stöber, § 795 Rdnr. 1), teilt der Senat nicht. Die Zustellung ist erforderlich, um durch Urkunden einfach nachweisen zu können, dass der Schuldner Gelegenheit hatte, den Inhalt der zu vollstreckenden Verpflichtung zur Kenntnis zu nehmen. Diese den Schuldner schützende Wirkung hat auch die - wenn auch überobligatorische - Zustellung im Amtsbetrieb (Senat, FamRZ 2016, 1960 f. = NJOZ 2016, 1538, Abs. 14; NJW-RR 2015, 520 = FamRZ 2015, 1224, 1225; Prütting/Helms-Hammer, § 87 Rdnr. 8; Stein/Jonas-Münzberg, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 750 Rdnr. 33; Wieczorek/Schütze-Salzmann, § 750 Rdnr. 26) und ebenso die vom Schuldner selbst veranlasste Zustellung des Titels an den ebenfalls verpflichteten Gläubiger (Schuschke/Walker, Vollstreckung, 5. Aufl. 2011, § 750 Rdnr. 24).

Indes ist keine dieser Zustellungen den Akten zu entnehmen. Der Gläubiger hat eine von ihm veranlasste oder an ihn gerichtete Zustellung nicht nachgewiesen. Die auf das Protokoll folgende Verfügung des AG (Bl. 93 HA) enthält allein die mit einem Erledigungsvermerk versehene Anordnung, das Protokoll den Beteiligten "formlos" zu übersenden. Die Zustellung ist nicht angeordnet worden.

Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 II FamFG, 127 IV ZPO).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 II FamFG, 574 II, III ZPO), besteht nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1...

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