Leitsatz (amtlich)

Hausbesuche des Verfahrenspflegers beim Kind sind grundsätzlich vergütungsfähig, aber im zu entscheidenden Fall nicht fünf, sondern nur zwei Hausbesuche.

 

Normenkette

FGG § 50

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 20.11.2006; Aktenzeichen 2 F 226/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des AG Strausberg vom 20.11.2006 wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde, mit der sich die Beteiligte zu 1. gegen die vom AG i.H.v. 1.080,77 EUR festgesetzte Verfahrenspflegervergütung einschließlich Auslagen wendet, ist gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 Satz 3, 56g Abs. 5 Satz 1 FGG zulässig. Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Die Verfahrenspflegerin kann einen höheren Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz ggü. der Landeskasse als in der von der Rechtspflegerin festgesetzten Höhe nicht geltend machen.

Der Verfahrenspfleger hat grundsätzlich ggü. der Landeskasse einen Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz für seine Tätigkeit gem. §§ 67 Abs. 3 FGG, 1835 Abs. 1, 1836 Abs. 2 BGB nach Maßgabe von § 1 BVormVG. Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG sind dabei nur diejenigen Zeiten zu vergüten und Aufwendungen zu ersetzen, die für die Erfüllung des dem Verfahrenspfleger übertragenen Aufgabenbereichs erforderlich waren. Das Merkmal der Erforderlichkeit bestimmt sich für den Verfahrenspfleger eines Kindes gem. § 50 Abs. 1, 2 FGG nach den ihm vom Gesetz zugewiesenen Amtsgeschäften. Jeder Arbeitsaufwand, den der Verfahrenspfleger außerhalb dieser Tätigkeit entfaltet, hat deshalb bei der Festsetzung der Vergütung außer Ansatz zu bleiben, mag dieser Aufwand auch objektiv nützlich gewesen sein und zu einer Konfliktlösung beigetragen haben (vgl. hierzu OLG Schleswig v. 28.1.2000 - 15 WF 101/99, OLGReport Schleswig 2000, 177 m.w.N.). Welche Tätigkeit eines Verfahrenspflegers im Rahmen seiner Amtsführung im Einzelnen als erforderlich anzusehen ist, bestimmt sich anhand der gesetzlichen Vorgaben nach einem objektiven Maßstab. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Verfahrenspfleger allein aus subjektiver Sicht bestimmte eigene Maßnahmen für geboten hält. Vergütungs- und ersatzpflichtig sind vielmehr nur Tätigkeiten, die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgabe notwendig waren (vgl. hierzu OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2004, 78).

Für die nähere Bestimmung des vergütungsfähigen Zeitaufwandes darf zunächst nicht außer Acht gelassen werden, dass der "Anwalt des Kindes" lediglich als eigene Interessenvertretung der Kinder im Verfahren eingeführt worden ist. Auf diese Weise sollen sie sich im Falle eines Konflikts mit den Elterninteressen als Rechtssubjekte am Verfahren mittels eines allein ihrem Interesse verpflichteten Vertreters rechtliches Gehör verschaffen können. Damit die gerichtliche Entscheidung nicht über den Kopf der Kinder hinweg erfolgt, ist der Verfahrenspfleger als "Sprachrohr" der Kinder verpflichtet, die Wünsche und Vorstellungen der Minderjährigen dem Gericht so authentisch wie möglich zu unterbreiten (vgl. hierzu BT-Drucks. 13/4899, 129). Zum Aufgabenkreis gehört damit die subjektive Willenserforschung der Kinder und die Verfahrensbegleitung. Nur der für die Bewältigung dieser Aufgaben angefallene und erforderliche Zeitaufwand ist vergütungsfähig. Wer allerdings als Familienrichter in Sorgerechtsangelegenheiten mit der Anhörung von Kindern und der Erforschung ihrer Wünsche und Vorstellungen zu tun hat, weiß, wie schwierig diese Situation - zumal in fremder Umgebung und mit fremden Erwachsenen - für die Kinder tatsächlich ist. Das gilt in besonderem Maße für jüngere Kinder. Eine gelöste Atmosphäre stellt sich selten ein. Die Kinder fühlen sich unbehaglich, unsicher und stehen häufig unter großer Anspannung. Zu einer unbefangenen Schilderung der persönlichen Wünsche und Vorstellungen sind die Kinder unter diesen Umständen regelmäßig nicht in der Lage. Zu berücksichtigen ist ferner, dass hinsichtlich direkter Fragen, wie etwa: "Bei wem willst du leben?" nach allgemeiner Auffassung im Rahmen der (richterlichen) Anhörung große Zurückhaltung geboten ist. Denn damit sind für die Kinder regelmäßig Loyalitätskonflikte verbunden. Hinzu kommt, dass die Kinder, je jünger sie sind, vielfach selbst nicht in der Lage sind, ihre Wünsche überhaupt in Worte zu fassen. Manche Kinder wollen sich auch ggü. Fremden nicht äußern. Die gesetzliche Aufgabe des Verfahrenspflegers, das eigene Interesse der Kinder zu erkennen und zu formulieren, dem Gericht das persönliche Anliegen der Kinder authentisch mitzuteilen und die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen, lässt sich daher bei jüngeren Kindern - noch dazu wenn bei ihnen Entwicklungsstörungen oder -verzögerungen vorliegen - in den meisten Fällen nur sachgerecht im elterlichen Haushalt ausführen. In der ihnen vertrauten häuslichen Atmosphäre sind die Kinder regelmäßig gelöster als in einem fremden Büro, noch dazu mit fremden Erwachsenen und in einer mehr oder...

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