Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergaberecht: Fehlende Zuverlässigkeit eines Bieters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Zuverlässigkeit eines Bieters ist entscheidend, inwieweit die Umstände des Einzelfalles die Prognose erlauben, dass der Bieter gerade die ausgeschriebenen und von ihm angebotenen Leistungen vertragsgerecht erbringen kann. Dabei ist auf den Inhalt der Verdingungsunterlagen abzustellen, die vom Horizont des Erklärungsempfängers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen sind.

2. Verlangt der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen die Überwachung des Generalplaners, sind diese dahingehend auszulegen, dass die Unterstützung durch einen unabhängigen Baumanager gefordert wird. Die ordnungsgemäße Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen setzt dann zwingend eine Neutralität des Auftragnehmers ggü. allen Vertragspartnern des Auftraggebers voraus. Der Generalplaner ist deshalb zwingend wegen fehlender Zuverlässigkeit von der Vergabe auszuschließen.

 

Normenkette

GWB § 97 Abs. 4; SKR 2004/17 Art. 34-59

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 11.09.2006; Aktenzeichen 2 VK 34/06, 1 VK 35/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 11.9.2006 - 2 VK 34/06 und 1 VK 35/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens nach § 118 GWB sowie die den Antragstellerinnen in diesen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beigeladene zu tragen.

 

Gründe

I. Die Auftraggeberin machte am 3.4.2006 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften den Auftrag über Ingenieurleistungen zur Bauüberwachung von Flugbetriebsflächen des Flughafens Berlin-Schönefeld bekannt. Der Auftrag sollte im Verhandlungsverfahren auf der Grundlage der Sektorenauftraggeber-Richtlinie vergeben werden. Zuschlagskriterium sollte das wirtschaftlich günstigste Angebot sein.

Für die Angebotsabgabe sollten sechs Bewerber ausgewählt werden.

Im Teilnahmewettbewerb bewarben sich acht Unternehmen/Bietergemeinschaften.

Die Auftraggeberin wählte fünf Bewerber aus - darunter die beiden Antragstellerinnen und die Beigeladene - und übersandte diesen mit Schreiben vom 31.5.2006 die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter Übersendung der Ausschreibungsunterlagen.

In den Ausschreibungsunterlagen heißt es u.a.:

"Ziff. 3.1. der Leistungsbeschreibung:

Mitwirkung des AN bei der Abstimmung der GU-Ausschreibung Luftseite

Der AN übernimmt im Rahmen der Leistungen aus diesem Vertrag die Aufgabe, bei der Abstimmung der Vertragsentwurfes zu den GU-Ausschreibungen Luftseite, insb. aber bei den Inhalten der Leistungsbeschreibung, aktiv mitzuwirken. Vor allem wird der AN dabei aus Sicht seiner Erfahrung die generelle Eignung des Vertragswerkes beurteilen, ferner wird er Vorschläge zur Optimierung erarbeiten, Ansätze für mögliche Nachtragschancen des GU aufzeigen, die vorgegebenen Termin- und Kostenrahmen einschätzen und den AG bei der Bearbeitung von Bieteranfragen unterstützen. Die Aufgabe ist in dieser Form als Beratungsleistung zu verstehen. Die Verantwortung des Generalplaners Luftseite als Ersteller der GU-Ausschreibung bleibt davon unberührt. Ferner wird er Vorschläge zur Optimierung hinsichtlich Kosten, technische Ausführung, baubetrieblichen Abläufen etc. erarbeiten, Ansätze für mögliche Nachtragsschäden des GU und deren Abwehr aufzeigen.

Ziff. 3.2.1 der Leistungsbeschreibung

Ausführungsplanung Generalplaner

Integrierter Bestandteil der Ausschreibung zu den Realisierungsleistungen der luftseitigen Flächenbauwerke und damit Leistungsinhalt des Generalplaners ist die vom Generalplaner zu erstellende Ausführungsplanung.

Vom AN sind die vom Generalplaner erstellten Ausführungsplanungen auf deren vertragliche Konformität und Realisierbarkeit zu prüfen. Die Pläne sind mit einem Freigabevermerk durch den Auftragnehmer zu versehen.

Ziff. 3.24 der Leistungsbeschreibung

Vertragsmanagement

Der AN wird den AG in den Grenzen des RBerG bezüglich des Vertragsmanagements beraten und unterstützen.

Insbesondere:

  • bei Erstellen, bei der Verhandlung, bei der Überwachung und Dokumentation aller Verträge/Nachtragsvereinbarungen, die mit dem beauftragten Unternehmern und Planern abzuschließen sind,
  • beim Vertragscontrolling hinsichtlich der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Vertragspartner, bei Nichterfüllung unverzügliche Berichterstattung und Unterbreitung von Lösungsvorschlägen an den AG.

Bei Feststellung vertragswidriger Leistungen hat der AN den AG zu benachrichtigen und die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen (Inverzugsetzung, Mahnung mit Fristsetzung etc.). ...

Änderungs- und Nachtragsvorgänge sind vom AN zu bearbeiten. Dabei sind im Wesentlichen folgende Arbeitsschritte zu tätigen: ...

  • Kommt der AN zu dem Ergebnis, dass die zur Ausführung übergebenen Pläne oder andere für die Baudurchführung nachstehenden Unterlagen oder Anordnungen ungeeignet sind, so hat er seine Bedenken dem AG unverzüglich schriftlich vorzutrag...

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