Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergaberecht: "Vorbefassung" eines Bieters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Vergabe von Bauüberwachungsleistungen ist der Bieter, der die Entwurfsplanung ausgeführt hat, als vorbefasst anzusehen. Um eine Verfälschung des Wettbewerbs zu verhindern, hat der betreffende Bieter nachzuweisen, dass ihm durch die Vorbefassung kein ungerechtfertigter Vorteil erwachsen ist. Dem Auftraggeber obliegt daneben die Verpflichtung, den Wissensvorsprung des einen Bieters durch Information aller anderen Bieter auszugleichen.

2. Wird bei der Vergabe von Bauüberwachungsleistungen keine Überwachung des Generalplaners, sondern eine Überwachung des Generalunternehmers verlangt, kann sich der Generalplaner um die Vergabe bewerben (Abgrenzung zum Senatsbeschluss Verg W 7/06 vom 16.1.2007 - OLGReport Brandenburg 2007, 671).

3. Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Auftraggeber entschließt, die optional ausgeschriebene beratende Mitwirkung bei der Erstellung der Generalunternehmer-Ausschreibung nicht zu vergeben, deren Beauftragung dazu führen würde, dass der mit der Erstellung der Generalunternehmer-Ausschreibung befasste und für den Zuschlag vorgesehene Generalplaner sich selbst überwachen müsste.

 

Normenkette

GWB § 97; HOAI § 15

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 16.11.2006; Aktenzeichen 1 VK 43/06)

 

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Beigeladenen und der Auftraggeberin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 16.11 2006 - 1 VK 43/06 - aufgehoben.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der notwendigen Auslagen der Beigeladenen und der Auftraggeberin zu tragen.

Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten seitens der Beigeladenen und der Auftraggeberin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

 

Gründe

I. Die Auftraggeberin hat am 8.4.2006 öffentlich europaweit die Vergabe von Ingenieurleistungen zur Bauüberwachung für die Errichtung des Fluggastterminals BBJ bekannt gemacht (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, Vergabe-Nr. 33000808).

Im Vorfeld hatte die Auftraggeberin die Generalplanerleistungen für alle baulichen und flughafenspezifischen Gewerke, Anlagen und Einrichtungen des Fluggastterminals an die hiesige Beigeladene vergeben.

Inhalt dieses Auftrages war die Erstellung der Entwurfs- und der Genehmigungsplanung (Auftrag in Stufe 1).

Als Option (Auftrag in Stufe 2) war ferner vorgesehen, dass die hiesige Beigeladene auch an der Vorbereitung der Vergabe und der Vergabe betreffend Ausführungsplanung und Bauausführung selbst - beides sollte in einer Hand durch einen Generalunternehmer erfolgen - mitwirken sollte.

Als Option (Stufe 3) war ferner vorgesehen, dass die hiesige Beigeladene die Ausführungsplanung des Generalunternehmers in qualitativer, kostenmäßiger und terminsbezogener Hinsicht prüfen sollte, ferner die Einhaltung der Entwurfsvorgaben während der Bauausführung.

Im streitgegenständlichen Verfahren sind ausgeschrieben worden:

  • Bauüberwachungsleistungen nach § 15 HOAI (Lph 8)
  • Bauüberwachung für technische Ausrüstung nach § 73 HOAI (Lph 8)
  • Bauüberwachung für flughafenspezifische Ausrüstung wie z.B. bewegliche Fluggastbrücken, Gepäckförderanlagen etc.

Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes im Verhandlungsverfahren nach SKR nach vorher durchgeführtem Teilnahmewettbewerb erfolgte am 16.6.2006.

Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden.

Die Wertung sollte nach folgender Matrix erfolgen:

  • Preis/Honorar 30 %
  • Personal/Qualifikation des vorgesehenen Personals40 %
  • Termin-und Kostenverfolgung 10 %
  • Konzept zur Erbringung der Leistung 20 %

Die an die Bieter übersandten Verdingungsunterlagen enthalten u.a. den Vertragsentwurf, in dem die Leistungen des Auftragnehmers konkretisiert werden.

In § 3 des Vertrages heißt es:

"Die Beauftragung des AN erfolgt gem. den nachfolgenden Bestimmungen in mehreren Stufen. Mit der Zuschlagserteilung erfolgt die Beauftragung des AN mit der 1. Stufe.

Der AN hat keinen Anspruch auf Beauftragung der weiteren Leistungsstufen ..."

In Stufe 1 sollten Leistungen der Objektüberwachung, Prüfung der Ausführungsplanung und Integration Retailing/Gastronomie (Mieterausbau) beauftragt werden.

Die Leistungen werden in Anlage 3 des Vertrages (dort Ziff. 3.1.) umfangreich beschrieben.

Weiter werden in Anlage 3 die optional ausgeschriebenen Leistungen der Stufen 2 bis 6 beschrieben.

Stufe 2 (optional) betrifft die Mitwirkung des Auftragnehmers bei der Abstimmung der Generalunternehmerausschreibung, wobei klargestellt wird, dass der Generalplaner (= Beigeladene) das Leistungsverzeichnis erstellen soll.

In der weiter an die Bieter übersandten Objektbeschreibung wird u.a. die Leistung des Generalunternehmers konkretisiert.

Unter Ziff. 2.6. werden die Schnittstellen zu anderen Beauftragten, insb. zum Generalplaner (= Beigeladene) dargestellt.

In Anlage z...

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