Leitsatz (amtlich)

1. Einem Bieter entsteht dadurch kein Schaden, dass der Auftraggeber ihm in dem Informationsschreiben gem. § 101a Abs. 1 GWB die Anschrift der für den Zuschlag vorgesehenen Bietergemeinschaft und die Anteile und Aufgaben ihrer einzelnen Mitglieder nicht mitteilt. Ein hierauf gestützter Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

2. Es kann offen bleiben, ob fehlerhafte Preisangaben den Ausschluss eines Bieters im Anwendungsbereich der SektVO rechtfertigen, wenn der Fehler keine Auswirkungen auf die Wertungsreihenfolge hat.

3. Der Ausschluss des Angebots einer Bietergemeinschaft mit der Begründung, die Bildung der Bietergemeinschaft stelle eine wettbewerbsbeschränkende Abrede dar, setzt den gesicherten Nachweis dieser Abrede voraus. Lässt sich nicht feststellen, dass die Bildung der Bietergemeinschaft die Marktverhältnisse spürbar beeinflusst und sind wirtschaftlich vernünftige Gründe für deren Bildung nachvollziehbar dargelegt, ist die Bildung der Bietergemeinschaft weder kartell- noch vergaberechtlich zu beanstanden.

4. Ein konkurrierender Bieter kann sich nur dann mit Erfolg darauf berufen, ein Angebot weise einen ungewöhnlich niedrigen Preis auf, wenn das Angebot in der zielgerichteten Absicht der Marktverdrängung abgegeben worden ist.

5. Unternehmen der öffentlichen Hand können sich an einer Bietergemeinschaft beteiligen, die Leistungen in einem anderen Bundesland ausführen soll, wenn die Landesgesetze kein kommunalrechtliches Marktzutrittsverbot vorsehen.

 

Normenkette

GWB § 107 Abs. 2; SektVO §§ 22, 26-27

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Aktenzeichen VK 57/11)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 18.1.2012 bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Einsichtnahme in die Vergabeakten wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob die sofortige Beschwerde aufrechterhalten wird.

 

Gründe

I. Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 12.1.2011 Abfalllogistik- und Entsorgungsdienstleistungen für den Flughafen B. im Verhandlungsverfahren nach der SektVO europaweit aus. Korrekturen der Ausschreibung erfolgten mit Bekanntmachungen vom 04.02., 09.02., 12.02., 19.02 und 26.2.2011.

Nach der Auftragsbeschreibung sollte der Auftragnehmer die innerbetriebliche Logistik und die externe Entsorgung der am Flughafen Berlin-Brandenburg anfallenden und der Benutzungspflicht des geplanten Abfalllogistik- und Entsorgungssystems unterliegenden nicht gefährlichen und gefährlichen Abfälle übernehmen. Zum Leistungsumfang des Auftragnehmers sollten dabei sowohl das Management als auch die operativen Leistungen der Abfalllogistik auf dem Flughafengelände und die externe Entsorgung des Abfalls sowie die Planung und Umsetzung der notwendigen Investitionen in die technische Ausrüstung gehören.

Auf die Bewerbung der Antragstellerin forderte die Auftraggeberin die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.6.2011 zur Abgabe eines Angebotes auf. Nach den Vergabeunterlagen sollte der Zuschlag demjenigen Bieter erteilt werden, der nach den Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte. Zuschlags-/Wertungskriterium sollte der günstigste Preis sein.

In dem Schreiben vom 10.6.2011 heißt es zum Ablauf des Verfahrens u.a.:

"... diejenigen Bieter, die wertbare Angebote abgegeben haben, [werden] zu voraussichtlich einem Verhandlungstermin eingeladen. Dieser Verhandlungstermin soll dem Bieter Gelegenheit geben, sein Unternehmen (...) und sein Angebot zu präsentieren und noch unklare Angebotsbestandteile aufzuklären. Er dient gleichzeitig der Verhandlung über den gesamten Leistungsinhalt einschließlich der Verhandlung über die Möglichkeit einer Optimierung der Preise für die ausgeschriebene Leistung.

Die Vergabestelle wird prüfen, ob sie Verhandlungsangebote der Bieter aufgreifen wird oder nicht. Ein Anspruch auf Annahme bestimmter Verhandlungsangebote besteht nicht. Die Vergabestelle beabsichtigt, keine weiteren Verhandlungsrunden durchzuführen. Vielmehr ist beabsichtigt, alle Bieter aufzufordern, unter Berücksichtigung der in der Verhandlung gestellten Fragen, abgegebenen Erklärungen, Vereinbarungen und sonstigen Festlegungen ein abschließendes Angebot nach Vorgaben der Vergabestelle einzureichen."

Anlage A 7 der Verdingungsunterlagen enthält die von den Bietern auszufüllenden Preisblätter. In den "Hinweisen und Erläuterungen zum Ausfüllen der Preisblätter" heißt es jeweils für die Preisblätter Entsorgung I (E I), Entsorgung II (E II) und Entsorgung IV (E IV):

"Basierend auf der Formel gemäß Pos. E I-2.5.2 [bzw. gleichlautend Pos. E II-3.2, E IV-2.3.2 und E IV-2.5.2] ist beispielhaft für den Monat vor der Angebotsabgabe die Verwertungskosten/Rückvergütung zu ermitteln und einzutragen. Eine Rückvergütung ist mit einem negativen Vorzeichen einzutragen!"

Die Antragstellerin reichte mit vom 19.8.2011 ihr Angebot ein und...

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