Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 28. Mai 2020 verkündete Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda, Az. 22 F 122/16, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Landkreis Elbe-Elster für die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 1. November 2016 bis einschließlich 31. August 2021 in Höhe von insgesamt 208,15 EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin ab 1. September 2021 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 10,40 EUR zu zahlen, fällig im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats.

Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners und der weitergehende Zahlungsantrag der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz hat die Antragstellerin zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 90 Prozent und der Antragsgegner zu 10 Prozent.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.400 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt, und zwar im Beschwerdeverfahren noch für die Zeit November 2016 und fortlaufend.

Der Antragsgegner ist der Vater der am ... 2009 geborenen Antragstellerin, die nach der Trennung ihrer (seit ... 2013 geschiedenen) Eltern im mütterlichen Haushalt betreut und versorgt wird.

Mit vorgerichtlichen Schreiben vom 19. und 28. April 2016 wurde der Antragsgegner wegen Kindesunterhalts auf Auskunftserteilung und Zahlung in Anspruch genommen.

Im Mai 2016 hat die Antragstellerin ihre Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner im Stufenverfahren anhängig gemacht und diese mit Schriftsatz vom 1. August 2016 dahin beziffert, dass der Antragsgegner ab April 2016 zur Zahlung des Mindestunterhalts verpflichtet werden solle. Sie hat auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit verwiesen und erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bestritten.

Die Antragstellerin bezieht (erneut) seit Juli 2017 Leistungen nach dem UVG. Die deshalb übergegangenen/übergehenden Unterhaltsansprüche hat der Landkreis Elbe-Elster zur gerichtlichen Durchsetzung auf die Antragstellerin zurück übertragen.

Der am ... 1974 geborene Antragsgegner hat die Abweisung der Zahlungsanträge insgesamt beantragt und Leistungsunfähigkeit eingewandt.

Der Antragsgegner hat erstmals im Jahr 1997 schwere Verletzungen infolge eines Verkehrsunfalls erlitten, die seinen Behauptungen zufolge, die er mit verschiedenen (fach-)ärztlichen Bescheinigungen zu untermauern gesucht hat, mit einer hinzu getretenen Wirbelsäulenkrümmung zu einem Dauerschaden mit der Folge der Berufsunfähigkeit in seinem ersten Ausbildungsberuf als Industriemechaniker geführt hätten. Er hat im Juni 2001 eine zweijährige Umschulung zum Mediengestalter für Digital- und Printmedien erfolgreich absolviert, in diesem Beruf aber zu keiner Zeit gearbeitet. Eine dritte Ausbildung zum Erzieher habe er abbrechen müssen, weil er den Anforderungen nicht gewachsen gewesen sei. Er war zeitweise selbständig als Violoncello- bzw. Bassgitarrenlehrer tätig. Zuletzt war er von März 2015 bis einschließlich Februar 2016 im Bundesfreiwilligendienst beschäftigt. Er bezog danach zunächst ALG I und ergänzende Leistungen nach dem SGB II, zuletzt allein HARTZ IV-Leistungen. Im Januar 2018 hat er erneut einen Verkehrsunfall erlitten, dessen Folgen zweimal operativ behandelt werden mussten. Der Antragsgegner hat eine Lebenspartnerin, mit der er allerdings keinen gemeinsamen Haushalt führt. Er hat geltend gemacht, sich durchgehend um eine Erwerbstätigkeit bemüht, dabei aber erfolglos geblieben zu sein.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2018 hat das Amtsgericht bei Prof. Dr. med. ... in München ein Erwerbsfähigkeitsgutachten in Auftrag gegeben, das dieser unter dem 24. Juni 2019 vorgelegt hat. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner in Vollzeit (= bis zu 40 Stunden) im gewerblichen wie im Dienstleistungsbereich arbeiten könne, wenn eine Vielzahl näher beschriebener Parameter an die Arbeitsplatzbeschreibung erfüllt seien. Eine Tätigkeit in einem seiner Ausbildungsberufe sei nicht möglich. Die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit scheide stressbedingt aus. Der Sachverständige hat mit Blick auf das Alter des Antragsgegners eine Berufsfindungsmaßnahme und eine entsprechende qualifizierte Weiterbildung im künstlerisch-handwerklichen Bereich empfohlen.

Der Antragsgegner hat daraufhin beim Jobcenter des Landkreises Oberspreewald-Lausitz bzw. anschließend bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine Berufsfindungsmaßnahme beantragt. Ende Juli 2019 hat der Antragsgegner einen häuslichen Unfall erlitten, aufgrund dessen er bis 31. August 2019 krankgeschrieben war. Mit Bescheid vom 27. November 2019 hat die DRV den Antrag auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt, weil ihm mit Bescheid vom 22. November 2019 eine Reha-Maßnahme gewährt worden sei, in deren Folge mit der Wiederherste...

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