Verfahrensgang
AG Rathenow (Entscheidung vom 25.04.2019; Aktenzeichen 2 Cs 490 Js 19808/18 (6/19) |
Tenor
Auf die Sprungrevision des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 25. April 2019 (2 Cs 490 Js 19808/18 (6/19)) aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Rathenow vom 10. Januar 2019 wurde dem Angeklagten vorgeworfen, seit dem 15. Juni 2015 in P... und andernorts durch dieselbe Handlung a) ohne Reisepass in das Bundesgebiet eingereist zu sein und sich darin aufgehalten zu haben, b) unrichtige Angaben gemacht zu haben, um für sich einen Aufenthaltstitel zu beschaffen.
Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, am ... Juni 2015, ohne im Besitz eines für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Reisepasses gewesen zu sein, in das Bundesgebiet eingereist zu sei und am selben Tag zunächst einen Asylantrag in C... unter dem Namen A... P...0, geb. ... September 1994 in Pa... und am ... . August 2015 in E... einen Asylantrag unter dem Namen A... P... G..., geb. ... . August 1994 in Pa... gestellt zu haben. Seitdem soll er sich ohne Reisepass im Bundesgebiet aufhalten.
Der Aufforderung der Ausländerbehörde des Landkreises ... vom 28. September 2017 zur Vorlage des gültigen Reisepasses oder von Urkunden zum Identitätsnachweis und Nachweis der Passbeschaffung in der Botschaft seines Heimatlandes sowie der Aufforderung der Ausländerbehörde des Landkreises ... vom 5. Februar 2018 zur Abnahme von Fingerabdrücken am 21. März 2018 zur Identitätsprüfung sei er ebenfalls nicht nachgekommen.
Das Amtsgericht Rathenow hat den Angeklagten auf seinen Einspruch gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Rathenow vom 10. Januar 2019 mit Urteil vom 25. April 2019 schuldig gesprochen, ohne Reisepass in das Bundesgebiet eingereist zu sein und sich darin aufgehalten zu haben und tateinheitlich dazu unrichtige Angaben gemacht zu haben, um für sich einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen und gegen ihn eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 5,00 € verhängt.
Die hiergegen gerichtete Sprungrevision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
Die Generalsstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 25. April 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
II.
Die Revision ist gemäß § 333 StPO statthaft und nach den §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zum Freispruch.
1. Der Vorwurf der Einreise und des Aufenthalts ohne gültigen Pass oder Passersatz nach § 95 Abs. 1 Nr. 1, 3 AufenthG ist verjährt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 16. September 2019 wie folgt ausgeführt:
"a) Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG macht sich ein Ausländer strafbar, der ohne im Besitz eines erforderlichen Passes oder Passersatzes (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) oder eines erforderlichen Aufenthaltstitels (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) zu sein, in das Bundesgebiet einreist. .....
Einer Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einreise am 15.06.2015 steht jedoch die Verjährung entgegen. Verjährungsunterbrechende Handlungen vor Eintritt der Verjährung sind nicht ersichtlich.
Darüber hinaus kann eine Strafbarkeit des Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unter den Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 AufenthG entfallen.
Art. 31 Nr. 1 GFK, auf den § 95 Abs. 5 AufenthG verweist, besagt, dass die vertragsschließenden Staaten wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen werden, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragsschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Aus dieser Norm folgt nach einhelliger Auffassung ein persönlicher Strafaufhebungsgrund gegenüber den mit einer unerlaubten Einreise verwirklichten Delikten (vgl. BGH Urteil vom 25. März 1999-1 StR 344/98, juris). Obwohl das Tatgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte bereits am Tag seiner Einreise einen Asylantrag bei der zentralen Ausländerbehörde in Chemnitz stellte, hat es zu den Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 AufenthG keine Ausführungen gemacht und insbesondere nicht die zur Prüfung des Flüchtlingsstatus des Angeklagten erforderlichen Feststellungen zu seinem Reiseweg - etwa über sichere Drittstaaten - getroffen. Das Tatgericht hat dazu lediglich festgestellt, dass der Angeklagte mehrere Monate brauchte, um im Jahr 2015 nach Deutschland zu gelangen (UA S. ...