Leitsatz (amtlich)
Dem Tatbestandsmerkmal "unverzüglich" in § 522 Abs. 2 ZPO kommt eine eigenständige Bedeutung nicht zu. Es soll lediglich die Intention des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen, das erkennbar erfolglose Berufungsverfahren - in erster Linie im Interesse des in erster Instanz erfolgreichen Berufungsbeklagten - möglichst rasch und ohne unnötigen Zeit- und Arbeitsaufwand zu Ende zu bringen.
Eine Schmerzensgelderhöhung aus dem Grunde einer verzögerten Regulierung des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers ist nicht gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte für eine vorsätzliche und widerrechtliche Unfallherbeiführung des Versicherungsnehmers in Selbsttötungsabsicht bestanden, der Beweis einer vorsätzlichen und widerrechtlichen Unfallherbeiführung sich im Rechtsstreit jedoch nicht führen lässt.
Eine Gefahrübernahme durch den Versicherer i.S. des § 117 Abs. 3 VVG besteht in den in § 103 VVG geregelten Fällen der vorsätzlichen und widerrechtlichen Schadensherbeiführung nicht.
Bei einer Lisfranc'schen Luxationsfraktur am rechten Fuß, einer nicht dislozierten Fraktur des Os cuneiforme mediale rechts, einer dislozierten Schaftfraktur Os metatarsale III rechts, einer distalen dislozierten Radiustrümmerextensionsfraktur mit Abriss des Processus styloideus ulnae links, Thoraxprellungen beidseits, einer Kniegelenksdistorsion rechts und einer Schulterkontusion links, einer stationären Behandlung von insgesamt 28 Tagen sowie Einschränkungen im Bewegungsapparat der Arme und Beine, die dazu führen, dass der Geschädigte nicht mehr joggen oder sonstigen laufintensiven Sport treiben kann, und einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % als Dauerschaden ist ein Schmerzensgeld von 15.000,00 EUR angemessen.
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 24.02.2012; Aktenzeichen 11 O 253/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24.2.2012 verkündete Grund- und Teilurteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt (Oder), Az. 11 O 253/09, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von materiellem Schadensersatz, Schmerzensgeld sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche weitere Schäden des Klägers aus einem Verkehrsunfall vom 05.06.2008 gegen 06:15 Uhr auf der Landstraße... (Abschn. 385) zwischen der Anschlussstelle N. und S. in der Gemarkung A. in Anspruch, bei dem der bei dem Unfall getötete Versicherungsnehmer der Beklagten R. G. mit seinem Motorrad im Gegenverkehr mit dem vom Zeugen P. geführten Sattelschlepper kollidierte, woraufhin der Sattelschlepper auf die Gegenfahrbahn zog und hierdurch die reflexartige Ausweichreaktion des Klägers, der sich hinter dem Motorradfahrer befand, verursachte, die dazu führte, dass der Kläger mit seinem Pkw im Straßengraben zum Stillstand kam und erheblich verletzt wurde. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein über die Höhe des Schmerzensgeldes. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Mit am 24.02.2012 verkündetem Grund- und Teilurteil hat das LG den Klageantrag zu 1. betreffend die Forderung des Klägers nach materiellem Schadensersatz dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, eine Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden des Klägers aus dem Unfallereignis festgestellt, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen, sowie die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 15.000,00 EUR nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 05.06.2008 aus §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG dem Grunde nach Schmerzensgeld und Schadensersatz verlangen. Das Ausweichmanöver des Klägers und dessen Unfall seien durch die vorangegangene Kollision des Versicherungsnehmers der Beklagten mit dem Sattelschlepper und das Herüberziehen des Sattelschleppers in die Fahrspur des Klägers adäquat verursacht worden, wobei der überwiegende und grob verkehrswidrige Verursachungsbeitrag des Motorradfahrers die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Klägers verdränge und zur 100%igen Haftung der Beklagten führe. Die Haftung der Beklagten sei nicht gem. § 103 VVG ausgeschlossen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten den Unfall vorsätzlich und widerrechtlich - in Selbsttötungsabsicht - herbeigeführt habe. Die festgestellten Umstände des äußeren Geschehensablaufs ließen auch die Möglichkeit zu, dass der Unfall durch ein riskantes Überholmanöver verursacht worden sei. Zudem besteh...