Leitsatz (amtlich)
1. Dafür, dass Umgang von Kindern mit ihren Großeltern dem Kindeswohl dient, besteht keine gesetzliche Vermutung, wie sie auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen in § 1684 BGB für den Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Ausdruck gekommen ist.
2. Ob der Umgang mit den Verwandten dem Kindeswohl dient, ist allein aus dem Blickwinkel des Kindes zu beurteilen. Trotz des nachvollziehbaren Interesses von Großeltern an der Kontaktpflege mit ihren Enkelkindern ist ihnen das nach § 1685 BGB mögliche Umgangsrecht nicht um ihrer selbst, sondern um des Kindes willen eingeräumt worden. Das Umgangsrecht der in § 1685 BGB genannten Personen muss deshalb im Wesentlichen als ein treuhänderisches und dienendes Recht charakterisiert werden. Die abstrakte Möglichkeit, dass der Kontakt des Kindes mit weiteren Verwandten aus seinen Herkunftsfamilien förderlich sein kann, reicht nicht aus. Es muss vielmehr feststehen, dass der Umgang für die Entwicklung des Kindes und sein Wohl unter Berücksichtigung der gesamten Lebenssituation des Kindes, aller seelischen, körperlichen und erzieherischen Aspekte sowie seiner vorhandenen Bindungen an den Umgang verlangende Verwandte dienlich ist.
3. Sorgeberechtigten Eltern steht als Bestandteil ihrer elterlichen Sorge die Verantwortung und das Recht zu, über den Umgang der Kinder zu ihren Großeltern zu bestimmen. Sie können den Umgang aus verständigen Gründen verbieten (§ 1632 BGB). Dies dürfen sie gegenüber den Großeltern, die ein eigenes treuhänderisch dem Kindeswohl verpflichtetes Umgangsrecht haben (§ 1685 I BGB) nur dann nicht, wenn positiv festgestellt werden kann, dass der Umgang dem Kindeswohl dient.
4. Zum Verfahrenswert bei einer Mehrheit von umgangswilligen Erwachsenen.
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Aktenzeichen 32 F 295/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 22. September 2017 abgeändert.
Die Anträge der Antragsteller werden abgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Werte des Verfahrens erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens werden auf je 6.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller erstreben Umgang mit ihren am 13. August 2009 und 23. März 2012 geborenen Enkelinnen.
Die Kinder entstammen der Ehe der Antragsgegnerin mit dem Sohn der Antragsteller, der als Soldat der Bundeswehr am 4. Mai 2013 in Afghanistan gefallen ist.
Die Antragsteller hatten zu Lebzeiten ihres Sohnes zu dessen Familie ein gutes Verhältnis. Seit seinem Tode sind zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin Konflikte entstanden, in deren Folge die Antragsteller weniger und schließlich seit Juni 2015 keinen Umgang mit den Kindern mehr wahrnehmen konnten. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin haben wiederholt jugendamtliche Hilfe und Beratungsgespräche in Anspruch genommen. Sie haben die Beratungsgespräche jeweils wieder abgebrochen.
Die Antragsteller tragen vor, die Kinder seien gern bei ihnen, sie würden ihre Großeltern vermissen. Von dem Konflikt der Antragsteller mit der Antragsgegnerin seien sie nur insoweit belastet, als die Antragsgegnerin den Umgang unverhältnismäßig verkürze. Die Antragsgegnerin beziehe die Kinder offensichtlich in schändlicher und kindeswohlschädlicher Weise in das Verfahren mit ein und provoziere die Antragsteller und manipuliere und misshandle die Kinder seelisch, benutze sie als Waffe (Bl. 175) und richte in ihren kleinen Herzen irreparable Schäden an.
Die Antragsteller haben beantragt,
den Umgang mit ihren Enkelkindern Hannah Sophie und Greta Marie Wirth familiengerichtlich zu regeln.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat eingewandt, ein Umgang mit den Antragstellern sei dem Wohl der Kinder nicht dienlich.
Bereits zu Lebzeiten des Vaters der Kinder habe es zwischen den Antragstellern und den Kindern keine so intensive Beziehung gegeben, dass hieraus gefolgert werden könnte, der Umgang mit den Antragstellern diene dem Kindeswohl.
Sie habe sich unter anderem durch sie persönlich entwertende, ihren Erziehungsstil kritisierende Äußerungen der Antragsteller sowie Meinungsverschiedenheiten zur Grabgestaltung und diesbezügliche Eingriffe der Antragsteller gekränkt und beleidigt gefühlt (Bl. 29). Der Antragsteller habe in einem Beratungsgespräch auch angekündigt, den Kindern die Wahrheit über die von ihm als schlimm bewertete Kindesmutter und deren Eltern zu erzählen (Bl. 97). Die Kinder müssten die gegen die Antragsgegnerin gerichteten Attacken, Bevormundungen und Ausgrenzungen der Antragsteller miterleben und der Konflikt wirke sich auf die Kinder in einer Situation negativ aus, in der sie ohnehin schon durch den Verlust des Vaters belastet seien.
Das Amtsgericht hat den Kindern eine Verfahrensbeiständin bestellt und ein lösungsorientiertes familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 9. April 2017 Bezug genommen. Nach zweimaliger Anhörung der Kinder sowie v...