Verfahrensgang
AG Senftenberg (Aktenzeichen 32 F 140/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 05.10.2021 - 32 F 140/20 - aufgehoben und die Sache und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Senftenberg zurück-verwiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Amtsgericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerde-verfahrens.
3. Der Gebührenwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
4. Der Antragsgegnerin wird zur Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt S... als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.
5. Dem Antragsteller wird zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin F... als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet.
Gründe
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Eltern gemeinsam.
Auf Antrag des Antragstellers vom 12.08.2020 (Bl. 1) hat das Amtsgericht nach schriftlicher Anhörung der Antragsgegnerin (Bl. 7-9) mit Beschluss vom 05.10.2020 (Bl. 11), auf dessen Inhalt der Senat verweist, die elterliche Sorge für das minderjährige Kind E...-J..., die bislang allein der Antragsgegnerin oblag, den Antragsbeteiligten im Wege des vereinfachten schriftlichen Verfahrens (§ 155 a FamFG) gemeinsam übertragen.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde vom 09.11.2020 (Bl. 19) unter Hinweis auf eine schwerwiegende Störung der elterlichen Kommunikation. Der Antragsteller tritt dem entgegen (Bl. 67).
Der Senat hat dem minderjährigen Kind mit Beschluss vom 18.01.2021 (Bl. 48) eine Verfahrensbeiständin bestellt. Auf deren Stellungnahme vom 04.02.2021 (Bl. 70) wird Bezug genommen.
Der Senat entscheidet ohne persönliche Anhörung der Beteiligten im Beschwerderechtszug, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, von der ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten ist.
II. Die nach §§ 58 ff. zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat einen vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des ihm zugrunde liegenden Verfahrens sowie zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht. Denn das Verfahren des Familiengerichts leidet an einem wesentlichen Mangel, für eine Entscheidung des Senats wäre eine aufwändige Sachverhaltsermittlung notwendig, und beide Antragsbeteiligten sowie die Verfahrensbeiständin haben die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt, § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG.
Das Amtsgericht hat verfahrensfehlerhaft gegen seine Pflicht verstoßen, das minderjährige Kind E...-J... R... anzuhören (§ 159 Abs. 2 FamFG). Die persönliche Anhörung des betroffenen Kindes ist in den Fällen des §§ 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB, 155 a Abs. 3 Satz 1 FamFG, dem sogenannten "vereinfachten schriftlichen Verfahren" zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge, nicht entbehrlich (R. Kemper in Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 155 a FamFG Rn. 11; Schlünder in BeckOK FamFG, Hahne/Schlögel/Schlünder, 36. Ed. Stand 01.10.2020 § 155 a Rn. 22; Zöller/Lorenz, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 155 a FamFG Rn. 7).
Der Senat hält eine eigene Sachentscheidung nicht für angemessen, da zu der nach § 26 FamFG gebotenen Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen über die nachzuholende persönliche Anhörung des Kindes hinaus weitere Ermittlungen anzustellen sein könnten, insbesondere aufgrund der erst im Beschwerderechtszug eingeholten Stellungnahme der Verfahrensbeiständin.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten (Senat, NJW-RR 2020, 458).
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 63 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG a. F.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§ 70 Abs. 2 FamFG).
IV. Die Entscheidungen über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beruhen auf §§ 76, 78 FamFG, 114, 119 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 14370953 |
NZFam 2021, 271 |