Leitsatz (amtlich)
Die Äußerung eines Strafgefangenen, bei der Durchsuchung seiner Wäsche durch eine Justizvollzugsbedienstete handele es sich um ein "fetischistisches Verhalten", stellt nicht ohne weiteres eine strafbaren Beleidigung dar (§ 185 StGB).
Verfahrensgang
AG Lübben (Entscheidung vom 27.01.2016; Aktenzeichen 40 Ds 305/15) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 27. Januar 2016 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht sprach den Angeklagten durch Urteil vom 27. Januar 2016 wegen Beleidigung schuldig und verhängte gegen ihn eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 €. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Feststellungen eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht tragen, § 349 Abs. 4 StPO.
1. Nach den Feststellungen verbüßte der Angeklagte seit August 2012 aufgrund einer Verurteilung durch das Landgericht Cottbus eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben. Am 23. Dezember 2013 fand eine Durchsuchung seines Haftraums statt, die von der Justizvollzugsbediensteten S. aufgrund einer entsprechenden Anweisung ihres Dienstvorgesetzten vorgenommen wurde. Diese Maßnahme nahm der Angeklagte zum Anlass, am 24. Dezember 2013 ein Schreiben an das Landgericht Cottbus, Strafvollstreckungskammer, zu verfassen, welches dort am 30. Dezember 2013 einging.
Dieses Schreiben, mit dem der Angeklagte u.a "Strafantrag" stellt und sich über Maßnahmen des Justizvollzugs beschwert, hat u.a. folgenden Inhalt:
(...) "3. Am 23. Dezember wurde meine Wohnung/Zelle durchsucht im Alleingang durch die Bedienstete Frau S. Es wurde auch meine Wäsche durchsucht, was ein Verstoß gegen den § 85 des Brandenburger Justizvollzugsgesetzes darstellt.
Dieses fetischistische Verhalten zeige ich hiermit an." (...)
Das Amtsgericht hat diese Äußerung als Beleidigung gewertet. Dem Angeklagten sei es nicht darum gegangen, "sich lediglich kritisch über das vermeintlich rechtswidrige dienstliche Verhalten der Justizvollzugsbeamtin zu äußern, sondern (...) ihr einen über die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Handlung hinausgehenden sexuellen Bezug zu unterstellen, nämlich zu vermitteln, dass seine Unterwäsche als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung der Bediensteten gedient habe". Durch die "Nutzung des Wortes 'fetischistisch'" habe der Angeklagte "die private Person der Justizvollzugsbeamtin in den Vordergrund" gestellt "und nicht deren Tätigkeit als Vollzugsbeamtin".
2. Die Bewertung der festgestellten Äußerung als eine durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB nicht gerechtfertigte Beleidigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Bereits die Einordnung der Bezeichnung "fetischistisches Verhalten" als tatbestandsmäßige Beleidigung erweist sich aufgrund der nur unzureichenden tatgerichtlichen Würdigung der Gesamtumstände als nicht tragfähig.
Eine nach § 185 StGB strafbare Beleidigung liegt vor, wenn eine Äußerung eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung enthält. Dies ist der Fall, wenn dem Betroffenen der ethische oder soziale Wert ganz oder teilweise abgesprochen und dadurch dessen grundsätzlich uneingeschränkter Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird (Fischer, StGB 63. Aufl. § 185 Rdnr. 4 m. w. N.). Ob eine solche Missachtung oder Nichtachtung vorliegt, ist durch Auslegung des objektiven Sinngehalts der Aussage zu ermitteln, der unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände zu ermitteln ist. Maßgebend ist dabei nicht, wie der Empfänger, sondern wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht (StGB, Fischer a. a. O.).
Das Tatgericht hat sich insoweit bereits nicht rechtsfehlerfrei mit den in Betracht zu ziehenden Deutungsmöglichkeiten der schriftlichen Erklärung auseinandergesetzt. Die nicht näher begründete Annahme, der Angeklagte habe durch die Nutzung des Wortes "fetischistisch" die private Person der Justizvollzugsbeamten in den Vordergrund gestellt und nicht deren Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt, lässt die Formulierung der Äußerung im Gesamtzusammenhang der Ausführungen unberücksichtigt. Der Angeklagte hat den Sachverhalt der Durchsuchung seines Haftraums durch die Beamtin "im Alleingang" gegenüber der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts angezeigt und hierbei beanstandet, dass dieses Vorgehen seiner Auffassung nach vorschriftswidrig gewesen sei. Er hat sich hierbei erkennbar rechtsirrig auf eine Regelung bezogen, nach der die Durchsuchung männlicher Gefangener nur von Männern vorgenommen werden darf und das Schamgefühl zu schonen ist (§ 86 Abs. 1 BbgJVollzG). Die Te...