Leitsatz (amtlich)
Erfolglosigkeit der Beschleunigungsbeschwerde gem. § 155 c Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG bei einer Verfahrensdauer von lediglich 4 Monaten.
Verfahrensgang
AG Cottbus (Aktenzeichen 230 F 265/16) |
Tenor
1. Die Beschleunigungsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsge- richts - Familiengericht - Cottbus vom 15. März 2017, Az. 230 F 265/16, wird zurückge- wiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 750 EUR festgesetzt
Gründe
Die in zulässiger Weise gem. § 155 c Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG eingelegte Beschleunigungsbeschwerde der Antragstellerin vom 3. April 2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cottbus vom 15. März 2017 ist unbegründet. Eine Verletzung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots gemäß § 155 Abs. 1 FamFG liegt nicht vor.
1. Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen, § 155 Abs. 1 FamFG. Das Beschleunigungsgebot dient der Verkürzung der Verfahrensdauer in den aufgeführten, das Kindeswohl besonders berührenden Streitigkeiten und verpflichtet das Gericht in erster Linie, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden sowie das Verfahren zu einem zügigen Abschluss zu bringen. Eine generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist dabei nach Auffassung des Gesetzgebers nicht möglich (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Maßgebend ist die Orientierung am Kindeswohl, welches das Beschleunigungsgebot sowohl prägt als auch begrenzt, da Beschleunigung kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, dass die Entscheidung in der Sache nicht durch bloßen Zeitablauf faktisch präjudiziert wird (BT-Drs. 18/9092, S. 19; Keuter, FamRZ 2016, 1817, 1821). Die Beurteilung hat sich deshalb an dem jeweiligen Einzelfall zu orientieren (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2017 - 17 WF 31/17 -, juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich das vorliegende Verfahren nicht einmal im Ansatz als verzögerlich geführt dar.
a. Das vorliegende Verfahren hat die Antragstellerin Mitte Dezember 2016 eingeleitet. Bereits angesichts dieser bisherigen Verfahrensdauer von etwa 4 Monaten scheidet ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot aus.
Zwar gibt es keine generellen zeitlichen Vorgaben für den Abschluss von Kindschaftssachen i.S.d. § 155 Abs. 1 FamFG. Grundlage für die Einführung der Beschleunigungsrüge waren jedoch insbesondere die Ausführungen und Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Verfahrensdauer in seinem Beschluss vom 21.04.2011 (FamRZ 2011, 1823). Der EGMR bejahte - auch bei Vorliegen eines sehr schwierigen Verfahrens - einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in einem Umgangsverfahren, das vier Jahre und zehn Monate dauerte. Das BVerfG hat den Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz wegen einer unangemessenen Verfahrensdauer in einem Fall als verletzt angesehen, in dem das Amtsgericht 17 Monate lang nicht über einen Eilantrag und auch in der Hauptsache zwei Jahre nach Antragseingang und drei Monate nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens keine Entscheidung getroffen hatte (BVerfG, FamRZ 2008, 2258). Solche Zeiträume sind hier bei weitem nicht erreicht.
b. Zwar vermag auch die hier vorliegende Verfahrensdauer von rd. 4 Monaten zu einem Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz führen, sofern nicht zu rechtfertigende Verzögerungen relevanten Ausmaßes im konkreten Fall feststellbar wären. Denn mit der Einführung der Beschleunigungsrüge sollte insbesondere verhindert werden, dass sich während des Verfahrens Bindungs- und Beziehungsverhältnisse - einschließlich eines etwaigen Kontaktabbruchs - verfestigen oder verändern können und eine zu späte gerichtliche Entscheidung sich den geänderten tatsächlichen Bindungen und Beziehungen nur noch beschreibend anpassen, diese aber nicht mehr im Sinne des ursprünglichen Kindeswohls gestalten kann (BT-Drs. 18/9092, S. 19; Keuter, FamRZ 2016, 1817, 1821). Eine Entscheidung in der Sache soll demnach nicht durch bloßen Zeitablauf präjudiziert werden (EGMR, FamRZ 2011, 1283; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. März 2017 - 17 WF 31/17 -, juris).
Auch eine solche Sachlage ist aber nicht einmal ansatzweise feststellbar.
Die betroffenen Kinder befinden sich seit Ende Juni 2016 außerhalb des Haushalts der Antragstellerin, zudem mittlerweile in einer Pflegefamilie. Anders als bei einem Elternstreit besteht bei einer derartigen Konstellation eine deutlich geringere Gefahr, dass sich durch eine Verzögerung des Verfahrens Bindungs- und Beziehungsverhältnisse derart verfestigen oder verändern können, dass eine zu späte gerichtliche Entscheidung sich den geänderten tatsächlichen Bindungen und Beziehungen nur noch beschreibend anpassen, diese aber nicht mehr im Sinne des ursprünglichen Kindeswohls gestalten kann. Denn die Bindungen der leiblichen Eltern ge...