Leitsatz (amtlich)
1. In einer dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG unterliegenden Kindschaftssache kann eine Beschleunigungsrüge auch schon vor Ablauf von zwei Monaten nach Einleitung des Verfahrens gerechtfertigt sein, wenn das Familiengericht ausdrücklich ablehnt, einen frühen Termin, wie ihn die Vorschrift des § 155 Abs. 2 FamFG vorsieht, anzuberaumen.
2. Die Ablehnung, einen frühen Termin anzuberaumen, ist auch in einem Umgangsverfahren nicht unter Hinweis darauf gerechtfertigt, dass die das Verfahren einleitende Person sich nicht vorher um eine Vermittlung durch das Jugendamt bemüht hat.
Verfahrensgang
AG Strausberg (Aktenzeichen 2.2 F 72/18) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die bisherige Dauer des Verfahrens betreffend die Regelung des Umgangs zwischen dem Kind T. F., geboren am x.x.2008, und seinem Vater (Amtsgericht Strausberg 2.2 F 72/18) nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist eine Beschleunigungsbeschwerde der Mutter, die im Hauptsacheverfahren die Regelung des Umgangs des in ihrem Haushalt lebenden, am 23.08.2008 geborenen gemeinsamen Kindes mit seinem von ihr getrennt lebenden Vater erstrebt.
Durch Antrag vom 27.02.2018, beim Amtsgericht eingegangen am 01.03.2018, hat die Mutter beantragt zu erkennen, dass der Vater berechtigt und verpflichtet ist, das gemeinsame Kind beginnend ab dem 09.03.2018 jedes zweite Wochenende von Freitag, 14:00 Uhr, bis Sonntag, 18:00 Uhr, zu sich zu nehmen, wobei der Vater das Kind am Freitag vom Hort abholen und es am Sonntag zur Wohnung der Mutter zurückbringen soll. Zur Begründung hat die Mutter ausgeführt, der Umgang sei bisher entsprechend dem von ihr nun gestellten Antrag praktiziert worden. Dies werde vom Vater aber neuerdings infrage gestellt und die Einführung des Wechselmodells beansprucht. Hintergrund sei offensichtlich die Absicht des Vaters, keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Die bisher praktizierte Umgangsregelung entspreche dem Wohl des Kindes, welches sich daran auch gewöhnt habe und keine Veränderung wünsche. Da man sich nicht habe einigen können, begehre sie, die Mutter, nun eine gerichtliche Regelung des Umgangs.
Durch Verfügung vom 02.03.2018 hat das Amtsgericht der Mutter aufgegeben mitzuteilen, ob vor Anrufung des Gerichts (vergeblich) versucht worden sei, eine Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch zu nehmen und dies nachzuweisen. Mit Schriftsatz vom 13.03.2018 hat die Mutter hierauf vorgetragen, sie habe den Vater vorgerichtlich mehrfach gebeten, das Jugendamt um Vermittlung bei dem bestehenden Umgangskonflikt zu ersuchen. Dies habe der Vater rundweg abgelehnt. Mit Verfügung vom 16.03.2018 hat das Amtsgericht die Mutter um Vorlage eines geeigneten Nachweises gebeten. Hierauf hat die Mutter mit Schriftsatz vom 26.03.2018 mitgeteilt, die Ablehnung der Vermittlung durch das Jugendamt seitens des Vaters sei mündlich erfolgt, sodass ein Nachweis nicht vorgelegt werden könne. Im Übrigen sei die vorherige Inanspruchnahme des Jugendamtes keineswegs Voraussetzung für den hier gestellten Antrag, zumal nicht Verfahrenskostenhilfe beantragt worden sei. Unter Hinweis auf § 155 FamFG werde nochmals gebeten, das Verfahren zu fördern.
Durch Beschluss vom 28.03.2018 hat das Amtsgericht der Mutter "gemäß § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG aufgegeben, zunächst die Möglichkeiten zur Vermittlung des Jugendamtes und der örtlichen Träger der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen und dies gegenüber dem Gericht nachzuweisen." Das Verfahren werde bis dahin ausgesetzt.
Hierauf hat die Mutter mit Schriftsatz vom 26.04.2018 "Beschleunigungsrüge und Beschleunigungsbeschwerde" erhoben. Zur Begründung hat die Mutter ausgeführt, die ihr durch Beschluss vom 28.03.2018 aufgegebene Verpflichtung verstoße gegen das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG. Das Amtsgericht habe den Anwendungsbereich des § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG verkannt. Im Übrigen habe das Amtsgericht dem Verfahren trotz ihres Hinweises vom 06.03.2018 nicht Fortgang gegeben.
Durch Beschluss vom 30.04.2018 hat das Amtsgericht die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG nicht vorliege. Denn gemäß § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG solle das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten bei Verfahren im Sinne des § 155 Abs. 1 FamFG hinwirken; gemäß § 156 Abs. 1 S. 3 FamFG könne es anordnen, dass die Eltern an einer sonstigen Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen. Da die Beteiligten hier nicht einmal die Möglichkeit der Vermittlung bei dem zuständigen Jugendamt nachgewiesen hätten, habe das Familiengericht solche Anordnungen schon vor Bestimmung eines Termins in der Sache...