Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Perleberg vom 02.06.2020 - 16 F 40/20 - wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die bisherige Dauer des Kindschaftsverfahrens 16 F 40/20 Amtsgericht Perleberg nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
II. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A... M... aus P... bewilligt.
Gründe
I. Mit der am 31.01.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin beantragt, ihr das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter der bislang mitsorgeberechtigten Eltern zu übertragen und den Antragsgegner zu verpflichten, das Kind an sie herauszugeben.
Mit Verfügung vom selben Tage hat das Amtsgericht die Antragsschrift dem Jugendamt und dem Antragsgegner zur Stellungnahme übermittelt und das Jugendamt mit Verfügung vom 09.03.2020 an die Stellungnahme erinnert. Das Jugendamt hat daraufhin mit Schreiben vom 13.03.2020 mitgeteilt, dass gegen beide Eltern Anklage wegen Kinderhandels erhoben worden sei, wobei es sich bei dem von der Anklage betroffenen Kind um eine weitere Tochter der Antragstellerin handele, und deshalb empfohlen, das Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der durch das Jugendamt erfolgten Anhörung des Kindes und der Eltern hat das Jugendamt mit Schreiben vom 24.03.2020 seine Stellungnahme dahin ergänzt, dass aus sozialpädagogischer Sicht keine Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes beim Antragsgegner, sondern eine Änderung der bisherigen Umgangsregelung angezeigt sei. An seiner Empfehlung, das Verfahren über den Antrag der Antragstellerin bis zum Abschluss des Strafverfahrens nicht fortzubetreiben, hat das Jugendamt ausdrücklich festgehalten.
Dem ist die Antragstellerin mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.03. und vom 22.4.2020 entgegengetreten. Das vom Jugendamt erwähnte Strafverfahren habe "mit den vorliegenden Elternbeziehungen zum Kind nicht das Geringste zu tun" und könne nicht zum Anlass genommen werden, das Sorgerechtsverfahren ohne Bearbeitung liegen zu lassen; vielmehr sei umgehend zu terminieren.
Daraufhin hat die Richterin die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 07.05.2020 telefonisch darauf hingewiesen, dass das Jugendamt eine Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes nicht für angezeigt halte.
Hierauf hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20.05.2020 Beschleunigungsrüge erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass das Amtsgericht, verfahrenswidrig der Empfehlung des Jugendamtes folgend, in der Sache bislang nicht terminiert und die Akte auch sonst nicht bearbeitet habe.
Durch Beschluss vom 02.06.2020 hat das Amtsgericht die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass angesichts der Anklageerhebung gegen die Eltern wegen Kinderhandels zu prüfen war, inwieweit Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB auszuschließen seien. Im Übrigen sei das Kindeswohl als Maßstab für die Frage, ob eine Sache vorrangig zu bearbeiten ist, in allen Phasen des Verfahrens zu beachten. Dies rechtfertige es im Einzelfall, mit dem Abschluss des Verfahrens zuzuwarten.
Gegen diesen, ihr am 15.06.2020 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.06.2020, beim Amtsgericht eingegangen am 18.06.2020, "sofortige Beschwerde" eingelegt. Mit Verfügung vom 22.06.2020 hat das Amtsgericht die Weiterleitung des Rechtsmittels an das Oberlandesgericht veranlasst. Die Akte ist am 01.07.2020 beim Oberlandesgericht eingegangen.
II. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als Beschleunigungsbeschwerde gem. § 155 c Abs. 1 S. 1 FamFG auszulegen und als solche zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben.
Die Beschleunigungsbeschwerde ist begründet. Die von der Antragstellerin erhobene Beschleunigungsrüge war berechtigt.
Kindschaftssachen, die - wie hier - den Aufenthalt oder die Herausgabe eines Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen, § 155 Abs. 1 FamFG. Das Beschleunigungsgebot dient der Verkürzung der Verfahrensdauer in den aufgeführten, das Kindeswohl besonders berührenden Streitigkeiten und verpflichtet das Gericht in erster Linie, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden sowie das Verfahren zu einem zügigen Abschluss zu bringen. Eine generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist dabei nach Auffassung des Gesetzgebers nicht möglich (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Maßgebend ist die Orientierung am Kindeswohl, welches das Beschleunigungsgebot sowohl prägt als auch begrenzt, da Beschleunigung kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, dass die Entscheidung in der Sache nicht durch bloßen Zeitablauf faktisch präjudiziert wird (BT-Drs. 18/9092, ...