Leitsatz (amtlich)
Auch wenn dem Verfahrenspfleger Büroräume für die Anhörung des Kindes nicht zur Verfügung stehen, kommt eine vergütungsfähige Anhörung im elterlichen Haushalt nur in besonders gelagerten, durch den Verfahrenspfleger substantiiert darzulegenden Fällen in Betracht.
Verfahrensgang
AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 17.03.2006; Aktenzeichen 21 F 38/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde werden die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert und die Vergütung und der Aufwendungsersatz der Beschwerdegegnerin auf insgesamt 654,79 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5, 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Verfahrenspflegerin steht ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend §§ 1835 Abs. 1 und 4 BGB sowie eine Vergütung entsprechend §§ 1836a BGB, 1 BVormVG für die Zeit bis zum 30.6.2005 und entsprechend §§ 1836 BGB, 1, 3 VBVG für die Zeit ab 1.7.2005 zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (BVerfG FPR 2004, 622 [624]; OLG Oldenburg v. 22.3.2004 - 12 WF 141/03, 12 WF 142/03, OLGReport Oldenburg 2004, 588 = FamRZ 2005, 391; vgl. auch BT-Drucks. 13/7158, 15). Vergütet wird zudem nur der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand, gemessen daran, was ein sorgfältig arbeitender, gewissenhafter Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als notwenig ansehen würde. Nach diesen Maßstäben ist der geltend gemachte (Zeit-)Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (OLG Oldenburg v. 22.3.2004 - 12 WF 141/03, 12 WF 142/03, OLGReport Oldenburg 2004, 588 = FamRZ 2005, 391; st. Rspr. des Senats, OLG Brandenburg FGPrax 2004, 73, 74; ZfJ 2002, 233; FPR 2002, 280; OLG Brandenburg v. 22.11.2000 - 9 WF 218/00, FamRZ 2001, 692).
Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Dies lässt erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes tritt und an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen hat. Der Verfahrenspfleger hat also nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (ausdrücklich BVerfG v. 29.10.1998 -2 BvR 1206/98, MDR 1999, 99 = FamRZ 1999, 85 [87]); er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist - kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen (BT-Drucks. 13/4899, 130). All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes; seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist derjenigen eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar. Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, als "reiner Parteivertreter" sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen; insb. hat er keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (vgl. OLG Brandenburg v. 22.11.2000 -9 WF 218/00,FamRZ 2001, 692).
Im Rahmen dieser Plausibilitätsüberprüfung kann nicht festgestellt werden, dass die Fahrten zu den Anhörungen der Jugendlichen im elterlichen Haushalt erforderlich waren. Von mehreren gleichwertigen Alternativen zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben hat der Verfahrenspfleger diejenige zu wählen, die die Parteien bzw. die Allgemeinheit in finanzieller Hinsicht am wenigsten belastet. So ist es regelmäßig kostengünstiger, das Kind in den eigenen Büroräumen anzuhören, als im Wohnumfeld des Kindes. Die Wahrnehmung der Anhörung im elterlichen Haushalt kommt demzufolge nur in besonderen Fällen in Betracht, wenn die vertraute Umgebung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, was der Verfahrenspfleger substantiiert darzutun hat (OLG Brandenburg Beschl.v.23.3.2006 [9 WF 67/06] - zur Veröffentlichung vorgesehen; Beschl.v.26.2.2004 [15 WF 339/02]).
An einer derart substantiierten Darlegung der Notwendigkeit einer Anhörung der betroffenen Jugendlichen im elterlichen Haushalt fehlt es hier. Zwar hat die Beschwerdegegnerin nunmehr zu diesem Erfordernis mit Schriftsatz vom 9.5.2006 weiter vorgetragen. Jedoch sind die dargestellten Gründe nicht ausreichend. Es ist sicherlich zutreffend, dass sich eine Anhörung von Kindern in ihrem häuslichen Umfeld regelmäßig als einfacher darstellt. Aber dies dürfte grundsätzlich so sein und kann daher nicht als für den konkreten Fall besonderer bedeutender Umstand eingestuft werden. Soweit eine Anhörung der Jugendlichen in B. nach Auffassung der Verfahrenspflegerin an deren Bereitschaft bzw. an finanziellen Möglichkeiten gescheitert wäre, sind dies lediglich Mutmaßungen, die die Notwendigkeit der Anhörung am Wohnort ebenf...