Entscheidungsstichwort (Thema)
Freigabe einer Verschmelzung
Leitsatz (amtlich)
Da § 13 II UmwG das Zustimmungserfordernis zur Verschmelzung durch eine Verweisung auf das gesellschaftvertragliche Zustimmungserfordernis bei der Abtretung regelt, gelten auch Einschränkungen und besondere Voraussetzungen des vertraglichen Sonderrechts für das dadurch begründete gesetzliche Sonderrecht. Eine Auslegung der Vertragsregel, die die Zustimmung zur Abtretung regelt, ist sinnerhaltend auf die Zustimmung zur Verschmelzung zu übertragen.
Die Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist nicht dahin beschränkt, dass nur gewöhnliche Beschlussgegenstände erfasst werden, nicht aber solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder sich auf ungewöhnliche Geschäfte beziehen. Müsste anhand der Vertragsregeln angenommen werden, die Gesellschafter wollten Umwandlungen nicht einem Mehrheitsbeschluss unterwerfen, sondern nur weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa Satzungsänderungen, dann könnte die Mehrheitsklausel auch nach Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes den Anforderungen des § 43 II 1 UmwG nicht genügen.
Ob das Umtauschverhältnis als wirtschaftlich angemessen oder gar richtig zu beurteilen ist, ist nicht Gegenstand der Prüfung, ob § 5 I Nr. 3 UmwG eingehalten worden ist.
Abweichend vom allgemeinen Beschlussmängelrecht führt es nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses, wenn das Abfindungsangebot komplett fehlt, zu niedrig bemessen ist oder aus anderen Gründen als nicht ordnungsgemäß zu beurteilen ist. Solche Mängel sind nicht mit einer Unwirksamkeitsklage, sondern im Spruchverfahren geltendzumachen
Normenkette
UmwG § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 2, § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 1, § 29 Abs. 1, §§ 34, 43
Tenor
Die Erhebung der Klage der Antragsgegnerin zum Landgericht Potsdam - 52 O 69/21 - steht der Eintragung der Verschmelzung auf Grund des Verschmelzungsvertrages der Antragstellerinnen vom 27. Oktober 2021 (Urkunde des Notars ...) nicht entgegen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 500.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Erhebung der Klage steht der Eintragung der Verschmelzung nicht entgegen, weil die Klage offensichtlich unbegründet ist (§ 16 III 3 Nr. 1 UmwG). Sie erweist sich auf Grund des unstreitigen Vortrages, ohne dass es weiterer tatsächlicher Ermittlungen bedarf, zweifelsfrei als unbegründet (vgl. Widmann/Mayer-Fronhöfer, UmwR, Stand: 197. Lfg., § 16 UmwG Rdnr. 152 f.; Schmitt/Hörtnagl-Winter, UmwG, 9. Aufl. 2020, § 16 Rdnr. 56, 58 m. zahlr. w. Nachw.).
Keiner der mit der Klage (AS 13 = Bl. 310 ff.) vorgetragenen Erwägungen spricht für die Unwirksamkeit der Verschmelzungsbeschlüsse.
1. Die Antragsgegnerin meint, die Verschmelzungsbeschlüsse hätten gemäß § 13 II UmwG ihrer Zustimmung bedurft, die sie nicht erklärt hat. Ihr Sonderrecht zur Genehmigung von Anteilsabtretungen ergebe sich aus § 17 II der insoweit gleichlautenden Gesellschaftsverträge der Antragstellerinnen (Anlage AS 3 = Bl. 171 ff., Anlage AS 8 = Bl. 243 ff., Anlage AS 10 = Bl. 279 ff.).
Nach § 17 II der Verträge kann ein Geschäftsanteil nur dann an eine nicht nach § 18 erbberechtigte Person abgetreten werden, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Da § 13 II UmwG das Zustimmungserfordernis zur Verschmelzung durch eine Verweisung auf das gesellschaftvertragliche Zustimmungserfordernis bei der Abtretung regelt, gelten auch Einschränkungen und besondere Voraussetzungen des vertraglichen Sonderrechts für das dadurch begründete gesetzliche Sonderrecht. Eine Auslegung der Vertragsregel, die die Zustimmung zur Abtretung regelt, ist sinnerhaltend auf die Zustimmung zur Verschmelzung zu übertragen.
§ 18 der Verträge dient dazu, die Eigenart der Gesellschaften als "Familiengesellschaften" zu erhalten. Die Präambel der Verträge beschreibt die Gesellschaften als den unternehmerischen Zusammenschluss der Nachkommen des Unternehmsgründers Ulrich Rieck sen. Die Teilhabe an den Gesellschaften, also sowohl die unternehmerischen Entscheidungen als auch die Aufteilung von Gewinn und Verlust, soll nur den Nachkommen des Unternehmensgründers zugänglich sein. Nur sie sind "erbberechtigt" im Sinne der Verträge. Selbst wenn die derzeitigen Stammhalter andere, in diesem Sinne familienfremde Personen als ihre Erben bestimmen würden, blieben die Anteile an den Gesellschaften in den Händen der mit dem Unternehmensgründer verwandten Abkömmlinge (§ 18 II, IV der Verträge).
Das Zustimmungserfordernis des § 17 der Verträge sichert jedem einzelnen Gesellschafter den Erhalt der Gesellschaften als Familiengesellschaften. Nur wenn alle Gesellschafter ausdrücklich, nämlich durch ihre Zustimmung, ihr Einverständnis erklärten, wäre es möglich, einen Familienfremden durch Abtretung in die Gesellschaften aufzunehmen.
§ 13 II UmwG überträgt das Erfordernis der Zustimmung zu einer Abtretung auf das Erfordernis der Zustimmung zu einer Verschmelzung in gleicher, zweckgebundener Reichweite. Das Zustimmungserfordernis nach § 13 II UmwG hat die g...