Leitsatz (amtlich)
1. Im Unterhaltsverfahren werden die Vorschriften der §§ 91a, 269 ZPO durch § 243 FamFG verdrängt. Allerdings können die in den Kostenvorschriften der ZPO enthaltenen Rechtsgrundsätze bei der Billigkeitsabwägung grundsätzlich herangezogen werden.
2. Im Rahmen des § 243 FamFG hat eine Gesamtabwägung zu erfolgen. Diese umfasst nicht nur die in § 243 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 FamFG genannten Kriterien, sondern alle Umstände des Einzelfalles.
3. Es kann dahinstehen, ob die vom erstinstanzlichen Gericht nach billigem Ermessen getroffene Kostenentscheidung in vollem Umfang überprüfbar ist, das Beschwerdegericht also als Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts setzen kann oder ob allein eine Überprüfung auf Ermessensfehler zulässig ist, wenn die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ermessensfehlerhaft ist.
4. Das Umstandsmoment für die Verwirkung von Unterhalt wegen nicht zeitnaher Geltendmachung kann auch erfüllt sein, wenn der Unterhaltsanspruch auf den Träger des Unterhaltsvorschusses übergegangen ist. Denn auch eine Behörde ist auf Grund der Natur, des Inhalts und des Umfangs des Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht verändert, gehalten, sich um dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen.
5. Da der Gesetzeswortlaut in § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO eindeutig auf den Antrag "einer Partei" abstellt, ist nicht nur der Antragsteller des Mahnverfahrens, sondern auch der Antragsgegner berechtigt, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen.
6. Gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist für Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind betreffen, das Gericht, in dessen Bezirk das Kind oder der Elternteil, der auf Seiten des minderjährigen Kindes zu handeln befugt ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausschließlich zuständig. Von dieser Zuständigkeitsvorschrift erfasst sind auch die Unterhaltsansprüche, die im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs von einem Leistungsträger geltend gemacht werden. Wurde das Mahnverfahren betrieben, ist auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit gem. § 696 Abs. 3 ZPO abzustellen.
Normenkette
FamFG § 243; BGB § 242; ZPO § 696
Verfahrensgang
AG Luckenwalde (Beschluss vom 15.04.2013; Aktenzeichen 31 F 240/12) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden insgesamt dem Antragsteller auferlegt.
Der Antragsteller hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf zwischen 601 und 900 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller hat aus übergegangenem Recht gem. § 7 UVG am 4.1.2012 den Erlass eines Mahnbescheids gegen den Antragsgegner hinsichtlich Kindesunterhalts für den Zeitraum vom 1.10.2007 bis zum 23.12.2009 i.H.v. insgesamt 3.097,13 EUR beantragt. Gegen den am 6.1.2012 erlassenen und am 11.1.2012 zugestellten Mahnbescheid hat der Antragsgegner am 23.1.2012 Widerspruch eingelegt. Der Antragsteller ist von der Einlegung des Widerspruchs informiert und darauf hingewiesen worden, dass zur Abgabe des Verfahrens ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erforderlich sei. Einen solchen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt, wohl aber der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11.6.2012. Das Mahngericht hat das Verfahren daraufhin an das AG Luckenwalde, das vom Antragsteller für den Fall des Widerspruchs als Verfahrensgericht benannt worden war, abgegeben.
Kurz danach hat der Antragsteller gegenüber dem AG Luckenwalde Erledigung in der Hauptsache erklärt und beantragt, die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen. Dem ist der Antragsgegner unter dem 27.7.2012 entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, ein Unterhaltsanspruch sei nicht gegeben, das AG Luckenwalde sei örtlich unzuständig, nach Bewilligung der zugleich beantragten Verfahrenskostenhilfe werde er aber der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kosten zustimmen. Unter dem 7.8.2012 hat der Antragsteller noch einmal unter Hinweis darauf, dass er das streitige Verfahren nicht beantragt habe, Stellung genommen und erklärt, dass in der Angelegenheit keine weiteren Stellungnahmen erfolgen würden, die Sache als erledigt zu betrachten sei. Darauf hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.9.2012 ausgeführt, er werte den Schriftsatz des Antragstellers vom 7.8.2012 als Antragsrücknahme hinsichtlich des Mahnbescheidsantrags und beantrage, dem Antragsteller die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dem ist der Antragsteller unter dem 27.9.2012 entgegengetreten und hat erklärt, weder den Mahnbescheid zurückgenommen noch die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt zu haben.
Durch Beschluss vom 16.11.2012 hat das AG den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Hinweis auf Mutwillen zurückgewiesen. Denn ein kostenbewusster Beteiligter, der die Kosten selbst zahlen müsste, hätte den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens, an dem der Antragsteller kein Interesse mehr gehabt habe...