Leitsatz (amtlich)

Wird Unterhalt auch für die Zukunft verlangt, ist das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten nicht allein auf der Grundlage der geschuldeten Unterhaltsrenten, die innerhalb des für die Verfahrenswertfestsetzung nach § 51 Abs. 1, 2 FamGKG maßgeblichen Zeitraums begehrt werden, zu bestimmen. Vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, wobei einen Anhaltspunkt für den wirtschaftlichen Wert der 3 ½ fache Jahreswert, 42 Monate, nach § 9 ZPO gibt.

 

Normenkette

FamFG § 243 S. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Beschluss vom 15.02.2011; Aktenzeichen 10 F 525/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden den Antragstellerinnen zu 21 % und dem Antragsgegner zu 79 % auferlegt.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerinnen 42 %, der Antragsgegner 58 % zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 901 und 1.200 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Antragschrift vom 30.5.2011 haben die minderjährigen Antragsteller beantragt, ihren Vater, den Antragsgegner, zur Zahlung monatlichen Unterhalts von jeweils 120 % des Mindestunterhalts ab Juni 2011 sowie zur Zahlung rückständigen Unterhalts, ferner zur Zahlung eines Sonderbedarfs von 496,13 EUR, zu verpflichten. Mit der Antragserwiderung vom 22.6.2011 hat der Antragsgegner Urkunden des Jugendamtes des Landkreises ... vom 16.6.2011 vorgelegt, nach denen er sich verpflichtet hat, für jede der Antragstellerinnen ab Mai 2011 monatlichen Unterhalt i.H.v. 120 % des Mindestunterhalts zu zahlen. Im Hinblick darauf haben die Antragstellerinnen mit Schriftsatzes des am 10.8.2011 das Verfahren teilweise für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 20.12.2011 haben die Antragstellerinnen erklärt, man habe sich abschließend verglichen, weshalb das Verfahren in der Hauptsache insgesamt für erledigt erklärt werde. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung unter dem 19.1.2012 angeschlossen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 15.2.2012 hat das AG die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. In seiner Begründung hat es auf die Vorschriften der §§ 112, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 91a ZPO Bezug genommen und die Kostenaufhebung damit begründet, dass sich der Antragsgegner vor Zustellung des Antrags hinsichtlich des laufenden Kindesunterhalts durch Jugendamtsurkunde verpflichtet habe und im Übrigen ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten zur Beendigung des Verfahrens geführt habe.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragstellerinnen mit der sofortigen Beschwerde.

II.A. Die Beschwerde ist zulässig.

In Ehesachen und Familienstreitsachen bestimmt sich die Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung nach den Vorschriften der ZPO, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Grundsätzlich ist die isolierte Kostenentscheidung danach unanfechtbar, § 99 Abs. 1 ZPO. Anders verhält es sich bei der Antragsrücknahme, § 269 Abs. 5 ZPO, der Erledigung der Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verpflichtung, § 99 Abs. 2 ZPO, oder im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen, § 91a Abs. 2 ZPO. In diesen Fällen ist die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO gegeben (BGH NJW 2011, 3654 Tz. 13 ff.; Schael, FPR 2009, 11, 13; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, 4. Edition, § 58 Rz. 61). Insofern ist die Rechtsmittelbelehrung des AG, wonach die Beschwerde gem. § 58 FamFG stattfindet, unzutreffend. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der §§ 567 ff. ZPO ist eine Beschwerdefrist von zwei Wochen, beginnend mit der Zustellung der Entscheidung, zu beachten, § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO. Vorliegend ist die Entscheidung nicht förmlich zugestellt worden. Die Beschwerdefrist ist mithin nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1011 Tz. 12; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO,# 31. Aufl., § 569 Rz. 4#).

B. Das Rechtsmittel führt zur Abänderung der vom AG getroffenen Kostenentscheidung.

1. Das AG hat seine Kostenentscheidung zu Unrecht auf § 91a ZPO gestützt. Denn in Unterhaltssachen i.S.d. §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG ersetzt die Kostenvorschrift des § 243 FamFG als lex specialis die Vorschriften über die Verteilung der Kosten nach der ZPO (BGH NJW 2011, 3654 Tz. 23; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rz. 404).

Gemäß § 243 Satz 1 FamFG entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Dabei können alle Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden. In § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG sind Kriterien aufgeführt, die insbesondere zu berücksichtigen sind (FamVerf/Gutjahr, a.a.O.). Da das AG eine solche Einzelfallabwägung ersichtlich nicht vorgenommen hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob das Beschwerdegericht bei Ermessensentscheidungen, insbesondere in Kostensachen, sein eigenes Ermessen anstelle des erstinstanzlichen Gerichts auszuüben hat (vgl. hierzu Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 69 Rz. 31). Vielmehr muss der Senat hier die bislang unterbliebene Ermessensent...

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