Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine nach § 243 FamFG vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt, kann dahinstehen, wenn das erstinstanzliche Gericht den Sachverhalt nicht umfassend gewürdigt und daher ermessensfehlerhaft entschieden hat.

2. Dem Gesichtspunkt der Verfahrensveranlassung kann bei der Billigkeitsabwägung auch dann Bedeutung zukommen, wenn ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. §§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG, 93 ZPO nicht gegeben ist.

 

Normenkette

FamFG § 243

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 15.06.2015; Aktenzeichen 2.1 F 447/14)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin zu einem Drittel und dem Antragsgegner zu zwei Dritteln auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 1.711 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 269 Abs. 5 ZPO zulässige sofortige Beschwerde (vgl. BGH, NJW 2011, 3654 Rn. 13; Schael, FPR 2009, 11, 13; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Große-Boymann, 2. Aufl., § 1 Rn. 523, 525; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 16, § 58 Rn. 61) führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sind gegeneinander aufzuheben. Die Entscheidung des AG, wonach die Antragstellerin die Kosten zu einem Viertel und der Antragsgegner die Kosten zu drei Vierteln zu tragen hat, ist daher entsprechend abzuändern.

1. Zu Recht ist das AG davon ausgegangen, dass, da die Antragstellerin nicht eindeutig klargestellt hat, dass ihr Klageantrag nur bedingt für den Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt werden solle, das Hauptsacheverfahren bereits mit Einreichung der Antragsschrift als anhängig anzusehen ist (vgl. BGH, FamRZ 2005, 794; FamRZ 1996, 1142; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 37). Gegenstand der nun noch zu treffenden Kostenentscheidung sind neben den gemäß § 9 Abs. 1 FamGKG mit Antragseinreichung fällig gewordenen Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten, soweit es noch nicht zur Antragszustellung gekommen ist, zumindest im Wege des von der gerichtlichen Kostenentscheidung erfassten materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (vgl. BGH, NJW 2004, 1530).

2. Ebenfalls zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass die Kostenentscheidung allein auf der Grundlage der Spezialvorschrift des § 243 FamFG zu ergehen hat, so dass in Unterhaltssachen über die Kostenverteilung abweichend von den Vorschriften der ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, wobei in § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG Kriterien aufgeführt sind, die insbesondere zu berücksichtigen sind (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 404).

Ob eine vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 81 Rn. 81a; Prütting/Helms/Feskorn, FamFG, 3. Aufl., § 81 Rn. 36) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 ff.; FamVerf/Weidemann, § 2 Rn. 256; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 69 Rn. 31), kann hier dahinstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.1.2015 - 10 WF 110/14, BeckRS 2015, 02402). Denn die Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung würdigt den Sachverhalt nicht umfassend und ist ermessensfehlerhaft.

Das AG hat seine Entscheidung allein auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG gestützt, also ausschließlich das Verhältnis zum Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt. Demgegenüber war es schon mit Rücksicht auf die vorangegangenen Schriftsätze der Beteiligten geboten, sich auch mit der Frage, ob der Antragsgegner Veranlassung zu dem Verfahren gegeben hat, zu befassen.

Gemäß § 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG ist bei der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen insbesondere auch ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO zu berücksichtigen. Ein solches ausdrückliches Anerkenntnis liegt hier zwar nicht vor. Der Antragsgegner hat aber, im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe angehört, sogleich erklärt, er sei bereit, ab Oktober 2014 den verlangten Unterhalt in Höhe von 670 EUR monatlich zu zahlen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens haben sich die Beteiligten dann mit Rücksicht auf die Gewährung von BAföG an die Antragstellerin in Höhe von 140 EUR monatlich durch Bescheid des Studentenwerks... vom 20.1.2015 auf einen vom Antragsgegner zu zahlenden monatlichen Unterhalt von 530 EUR verständigt. Vor diesem Hintergrund war es geboten, auch die Frage zu prüfen, ob eine etwaige Veranlassung des Verfahrens durch einen der Beteiligten bei der Billigkeitsentscheidung über d...

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